Vorgezeichnete Konflikte



Zahlreiche Binnenflüchtlinge im Sudan sind auf ausländische Hilfe angewiesen. Für den Süden ist die ersehnte Friedensdividende kaum ersichtlich. Die Infrastruktur ist zerstört. Mehr als zwei Millionen Flüchtlinge sind seit 2005 in den Südsudan zurückgekehrt, dort aber oft schlechter versorgt als in den Lagern in den Nachbarländern. Es gibt nicht genügend Schulen und Lehrer und keinen Zugang zu Basisgesundheitsversorgung.
Nirgendwo auf der Welt ist die Kinder- und Müttersterblichkeit größer als im Südsudan. Schnelle Abhilfe kann auch die internationale Entwicklungszusammenarbeit nicht schaffen.
Es fehlt nicht das Geld – die internationale Gemeinschaft hat in verschiedenen Finanzierungsinstrumenten Mittel zur Verfügung gestellt – doch häufig wird es nicht schnell genug eingesetzt. Die Vielzahl von Finanzierungsinstrumenten verzögert oft die Umsetzung von Maßnahmen; es findet keine Abstimmung statt, die Verfahren sind häufig zu bürokratisch.
Auch fehlt es der erst seit 2005 für die Entwicklung des Südens verantwortlichen Übergangsregierung auf allen politischen und administrativen Ebenen an ausgebildetem Personal. Mehr als 20 Jahre Bürgerkrieg haben ihre Spuren hinterlassen.
Verpasste Chancen
Bashir betrachtet den Konflikt in Darfur als inneres Problem. Durch den Haftbefehl jedoch hat sich der Druck erhöht: Sämtliche Unterzeichnerstaaten des Römischen Statuts – davon allein 30 aus Afrika – sind verpflichtet, Bashir auszuliefern, sollte er sich in ihrem Land aufhalten. Bisher konnte Bashir sich jedoch immer durch politische Allianzen retten.
Das belegt auch eine Analyse der International Crisis Group vom Juli 2009 (Sudan: Justice, Peace and the ICC. Africa Report No. 152). Darin wird deutlich, dass Bashir und seine Partei, die National Congress Party (NCP), es bislang immer geschafft haben, ihre Interessen durchzusetzen. Zugleich wurde nie jemand für die Verbrechen in Darfur verantwortlich gemacht.
Bashir und die NCP konnten aus sämtlichen Friedensabkommen die Fragen nach Gerechtigkeit und Verantwortung heraushalten. Die International Crisis Group warnt daher davor, jetzt, wo alle Welt auf die Wahlen und die Einhaltung des Friedensabkommens schaut, erneut die Chance zu verpassen, Bashir und andere Täter zur Verantwortung zu ziehen.
Man solle Bashir und der NCP auch keine kurzfristigen Zugeständnisse machen. Und ohne konkrete Bedingungen dürfe der Haftbefehl gegen Bashir auf keinen Fall durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrats für ein Jahr ausgesetzt werden.
Alles dreht sich um die Wahlen im April und das Referendum im kommenden Jahr. Dabei muss nicht nur vor Zugeständnissen an die Regierung in Khartum gewarnt werden, sondern auch vor der Idee, dass die Wahlen im Sudan automatisch zu mehr Demokratie führen. Noch heute werden lokale und nationale Entscheidungen häufig entlang ethnischer Zugehörigkeiten getroffen.
Paul Collier belegt in seinem neuesten Buch "Wars, Guns, and Votes. Democracy in Dangerous Places" (2009), dass Wahlen in Post-Konfliktstaaten nicht unbedingt mehr Demokratie bringen. Im Gegenteil erhöhen sie unter Umständen sogar das Risiko eines erneuten Kriegsausbruchs. Es ist also wichtig, Erkenntnisse aus anderen Post-Konfliktstaaten genau zu analysieren. Wahlen dürfen nicht um jeden Preis abgehalten werden.
Für die Bevölkerung ist – unabhängig von den Wahlen – eines wichtig: dass schnellstmöglich zumindest die Basisversorgung sichergestellt wird. Die Regierung im Süden braucht Unterstützung, um die Bedingungen für wirtschaftliche Entwicklung zu verbessern. Während des Bürgerkriegs wurde dort wesentlich mehr zerstört als im Norden.
Mitbestimmung der Bevölkerung bedeutet, sie an Entscheidungen zu beteiligen. Die internationale Gemeinschaft muss im Sudan mehr Geduld für Veränderungsprozesse aufbringen als in anderen Entwicklungsländern, und diese behutsam begleiten.
Am wichtigsten ist es, die junge Regierung im Südsudan beim Aufbau neuer Strukturen zu unterstützen und die Lebenssituation der Menschen zu verbessern. Zugleich muss verhindert werden, dass die Menschen sich an die ausländische Hilfe gewöhnen und ihre eigenen Fähigkeiten nicht entwickeln.
In Post-Konfliktsituationen wie dieser ist für den entwicklungspolitischen Ansatz "Hilfe zur Selbsthilfe" ein besonders langer Atem nötig.
Christian Jahn
© Zeitschrift Entwicklung & Zusammenarbeit 2010
Qantara.de
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