Geduldige Brückenbauer



Nach zwei Jahren Studium am ICRS, sagt Yohanes, habe sich sein Blick auf seine muslimischen Landsleute geändert. "Und der ihre auf die Katholiken auch."
Franz Magnis-Suseno, deutscher Jesuitenpater mit indonesischem Pass und international gefragter Gesprächspartner im interreligiösen Dialog, setzt große Hoffnungen in die junge Generation und Programme wie das des ICRS. "In der intellektuellen Elite der muslimischen Mehrheitsgesellschaft gibt es eine wachsende Zahl sehr pluralistischer Vertreter", sagt Magnis-Suseno.
Besorgt stimmt ihn indes, "dass die Intoleranz an der Basis aufgrund des wachsenden Einflusses radikaler Gruppen und jenem von politischen Bewegungen, die zunehmend auf die islamische Karte setzen, zuzunehmen scheint."
Keine Trennung zwischen akademischen und theologischen Religionsstudien
Eine neue Generation von Führungspersönlichkeiten hervor bringen, die den Dialog in weitere Teile der Bevölkerung tragen, das haben sich die geduldigen Brückenbauer von Yogyakarta vorgenommen.
Dafür will das Konsortium Ansätze vereinen, die nach Ansicht von ICRS-Gründer Bernard Adenay-Risakotta andernorts zu weit auseinander klaffen: "Unser Programm ist weder ein mono-religiöses, das Religion nur aus einem bestimmten Blickwinkel sieht, noch ein säkulares, in dem Religion lediglich ein Studienobjekt darstellt." So will das ICRS die Trennung zwischen akademischen und theologischen Religionsstudien vermeiden, die im Westen häufig praktiziert wird.
Gleichzeitig stellt das Programm durch den Austausch mit Anders- und Nichtgläubigen eine enorme Bereicherung im bislang monoreligiös dominierten Religionsstudium in Indonesien dar.
Austausch mit ausländischen Intellektuellen
Wer am ICRS studiert, dessen Blick reicht weiter als nur durch die eigene religiöse Brille. Dafür sorgt der interdisziplinäre Ansatz des PhD-Programms, der nicht nur Religion, sondern auch Soziologie, Anthropologie und Geschichte umfasst. Dafür sorgen das reiche Kursangebot und der Literaturfundus an den drei beteiligten Universitäten.
Und dafür sorgt die internationale Vernetzung des ICRS. Immer wieder kommen ausländische Intellektuelle ans ICRS. Zu den GastprofessorInnen gehört unter anderem Amina Wadud, Professorin für Islamwissenschaften an der amerikanischen Virginia Commonwealth University in Richmond.
Wadud sorgte 2005 weltweit für Schlagzeilen, als sie in New York öffentlich ein gemeinsames Freitagsgebet für muslimische Männer und Frauen leitete. Die Islamwissenschaftlerin sorgte im August bei Studenten und Gästen der UGM mit ihrem Vortrag über "Gender und Pluralismus" für Diskussionsstoff.
"Food for thought" hatte im gleichen Monat auch Gastdozent Robert Hefner im Gepäck. Der Direktor des Institute on Culture, Religion, and World Affairs (CURA) an der Universität Boston ist Autor von "Civil Islam- Muslims and Democratization in Indonesia" und hat gerade das Buch "Schooling Islam: The Culture and Politics of Modern Muslim Education" herausgegeben. Hefner begeisterte die Zuhörer nicht nur mit fließenden Indonesisch-Kenntnissen, sondern auch mit vehementer Kritik an Stimmen wie Samuel Huntington, die muslimischen Ländern per se ein Demokratiedefizit unterstellen.
Zugunsten eines Perspektivwechsels absolvieren alle Doktoranden des ICRS ein Gastsemester an einer ausländischen Universität. Bisherige Austauschprogramme finden vor allem mit amerikanischen Universitäten statt, aber zunehmend will man am ICRS auch mit europäischen Lehranstalten kooperieren.
Kürzlich stattete der Tübinger Theologe und Welt-Ethiker Hans Küng Yogyakarta einen Besuch ab und zog an der UGM 450 Studenten in seinen Bann. "Küngs unermüdlicher Aufruf zum Dialog und sein Ansatz, Religion im größeren Kontext von sozialem Leben, Wirtschaft und Politik zu sehen, ist sehr nah an dem, was wir hier vermitteln", sagt CRCS-Direktor Zainal Abidin Bagir.
Und fügt hinzu, warum diese Aufgabe zuweilen viel Geduld erfordert: "Wir müssen unsere Gesellschaft nehmen, wie sie ist. Eine andere haben wir nicht."
Anett Keller
© Qantara.de 2010
Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de
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