"Religionsfreiheit muss auch für Minderheiten gelten"



Magnis-Suseno: Die Befürworter des Gesetzes, darunter die Regierung und die Vertreter der großen muslimischen Massenorganisationen haben mit dem sozialen Frieden argumentiert, der ohne das Gesetz nicht gewährleistet sei. Eigentlich haben sie uns erpresst, in dem sie indirekt mit Gewalt gedroht haben.
Aber auch die Vertreter des Hinduismus, Buddhismus und Konfuzianismus haben für die Beibehaltung des Gesetzes gestimmt, weil sie fürchteten, ohne das Gesetz gebe es für die Ausübung ihrer Religion keinen rechtlichen Rahmen. Vielleicht hätten die Petitionäre auch mehr Zeit darauf verwenden müssen, diese Bedenken auszuräumen.
Gibt es jetzt noch rechtliche Möglichkeiten, das Gesetz zu revidieren?
Magnis-Suseno: Es gebe die Möglichkeit, dass das Gesetz über den parlamentarischen Weg revidiert wird, aber ich glaube daran, ehrlich gesagt, nicht.
Dann haben die Hardliner also gesiegt?
Magnis-Suseno: Das Problematische sind nicht die zahlenmäßig kleinen Hardliner, sondern dass sich breite Teile der Bevölkerung so leicht aufhetzen lassen, weil die sozialen Probleme noch immer so groß sind. Viele Indonesier befürworten beispielsweise die Einführung von Verordnungen, die auf der Scharia-Gesetzgebung basieren, weil sie sich davon eine Verringerung der Kriminalität erhoffen.
Dazu kommt, dass viele Muslime – auch wegen der Stimmung im Westen - den Eindruck haben, dass der Islam weltweit unter Beschuss steht. Das mobilisiert ein Misstrauen, das die Hardliner geschickt ausnutzen. Außerdem darf man nicht vergessen, wie paternalistisch die indonesische Gesellschaft noch immer ist. Und dass bei weitem nicht genug in Bildung investiert wird, was ja den Schlüssel zu mehr Toleranz und Gleichberechtigung darstellen würde.
Wo muss in punkto Bildung mehr getan werden?
Magnis-Suseno: Das indonesische Schulsystem ist noch immer zu feudal organisiert. Lehrer haben die unangetastete Macht, Kinder haben sich dieser zu beugen. Anstatt des puren Paukens von Wissen müsste viel mehr Wert auf Charakterbildung gelegt werden, auf die Erziehung von offenen, kritisch denkenden, kreativen, pluralistisch gesinnten Menschen. Kinder müssten von Lehrern und Eltern zuallererst Mut vermittelt bekommen, um Fragen zu stellen.
Interview: Anett Keller
© Qantara.de
Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de
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