"Die arabische Welt ist nicht nur eine Postkarte mit Sanddünen"





Wie war die Reaktion auf Ihre Bücher in Algerien und anderen muslimischen Ländern?
Khadra: Die algerischen Leser mögen mich sehr. Sie lesen meine Bücher auf Französisch, weil meine Werke nicht ins Arabische übersetzt sind. Es gibt Übersetzungen ins Indonesische, Japanische, überhaupt in die Mehrzahl der Sprachen, aber eben nicht ins Arabische. An den arabischen Lesern liegt das natürlich nicht, sondern nur an den Regierungen, die – wie immer – versuchen, die Bevölkerung von ihrer Elite zu entfremden, damit sie weiterhin Clandenken und Muckertum kultivieren können.
Viele Ihrer Bücher werden inzwischen auch an amerikanischen Universitäten gelesen. Was hoffen Sie, was die Studenten aus den Büchern lernen werden?
Khadra: Ich erhoffe mir, dass sie an meine Bücher herangehen wie sie sich einem anderen Volk nähern; dass sie andere Kulturen entdecken, andere Denkweisen und dass sie ihnen als Sprungbretter dienen. Amerikaner sind gefangen in ihrem Kontinent und überzeugt, dass sie bereits alles wissen, dass die Welt an ihren Grenzen endet. Doch das ist falsch: Die Welt beginnt dort erst.
Mir ist aufgefallen, dass in der letzten Zeit mehr Bücher aus muslimischen Ländern ins Englische übersetzt werden. Sehen Sie bereits einen Unterschied zu früher, was die Haltung westlicher Beobachter angeht, oder ist Ihnen gar eine Verbesserung ihrer Kenntnisse über die arabische Welt aufgefallen?
Khadra: Das hängt davon ab, welche Bücher man liest. Das plötzliche Interesse an der östlichen Kultur bereitet ja auch den Boden für Scharlatane und verfälschende Darstellungen. Westliche Leser mögen seichte Storys voller Klischeevorstellungen von Arabern und ihren vielen Ehefrauen. Deshalb lesen sie auch gern einzelne, weit hergeholte Geschichten und glauben dennoch irgendwann, sie hätten ein Volk und seine Kultur verstanden.
Um aber wirklichen Zugang zu einem kulturellen Universum zu gewinnen, muss man sich allem moralischen und intellektuellen Gepäck entledigen, um wenigstens ein Minimum an Urteilskraft zu erlangen. Und das sehe ich nicht. Ihr habt immer noch keine Vorstellung von der Bedeutung großer arabischer Autoren.
Was sich verkauft, sind die Bücher literarischer Stümper, schamloser Opportunisten; Bücher voll von Hass, Verleugnung, Desinformation und Plumpheit. Möglicherweise werden aber ja eines Tages die Leser tatsächlich reifer und sich bemühen, wirklich zu verstehen, anstatt nur zu urteilen und verurteilen.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Khadra: Ich lebe von Tag zu Tag, das ist klüger. Ich mache keine Pläne, sondern nehme die Dinge so, wie sie kommen.
Interview: Richard Marcus
© Qantara.de 2008
Richard Marcus schreibt seit drei Jahren für verschiedenste Internetseiten und hat mehr als 1300 Artikel veröffentlicht. Zurzeit gibt er das Epic India Magazine heraus, eine Online-Zeitschrift für Kunst und Kultur mit einem Fokus auf Südostasien und Indien im Besonderen. Außerdem schreibt er für die Kulturseite Blogcritics.org und steckt hinter dem Blog Leap in the Dark. Seine Texte erschienen in so unterschiedlichen Veröffentlichungen wie dem deutschen Magazin Rolling Stone und The Bangladesh Star. Zuletzt hat er selbst zwei Sammelbände seiner Artikel herausgegeben.
Übersetzung: Daniel Kiecol
Qantara.de
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