Die neu entdeckte Stadt



Am Stand nebenan bieten Frauen aus dem Viertel selbstgebackenen Kuchen, Tee und Sandwiches feil. "Richtig voll wird es hier nach Sonnenuntergang", erzählt die 55-jährige Hiyam. "Webdeh ist eins der schönsten Viertel von Amman. Aber bis vor kurzem gab es hier kein einziges Straßencafé. Die Leute sind froh, dass sie nun Abwechslung finden. In sehr lauen Sommernächten sitzen die Gäste manchmal bis morgens früh um zwei Uhr hier."
Bei der Schaffung von Orten und Räumen für Kultur spielen Einzelinitiativen und Eigenleistung zunehmend eine Rolle. Teilweise folgen die Projekte offenen Konzepten, so zum Beispiel der "Diwan" von Mamduh Bisharat.
Verschmelzung des Öffentlichen und des Privaten
Bisharat ist ein über 70-jähriger wohlhabender Grundbesitzer, Farmer und Cambridge-Absolvent, dem vom verstorbenen König Hussein der Titel eines Herzogs verliehen wurde. Er gilt als Exzentriker, ebenso als Liebhaber der bedrohten historischen Bausubstanz in Amman. Um auf die Bedeutung des urbanen Erbes hinzuweisen, mietete Bisharat vor wenigen Jahren das einzig verbliebene alte Gebäude an der Hauptstraße im Stadtzentrum und öffnete es nahezu unrenoviert für die Allgemeinheit. Wer will, kann hereinkommen, sich umsehen und auf einen Plausch bleiben.
Ein ähnlich flexibles und partizipatives Konzept verfolgt auch der Maler Abdelaziz Abu Ghazaleh mit dem "Mohtaraf Al Rimal". Er baute eine alte Grundschule zu einem Atelier-Café um, in dem er arbeitet und wohnt. An sechs Tagen in der Woche kann man zwischen 11 und 23 Uhr jederzeit hereinkommen, einen Kaffee trinken, Bilder kaufen oder einfach nur ausspannen.
"Dieser Ort ist gleichzeitig privat und öffentlich, die Grenzen sind fließend", erklärt Abu Ghazaleh. "Die Leute, die hierher kommen, sollen nicht nur konsumieren, sondern den Ort mitgestalten."
Der öffentliche Raum soll allen offen stehen
Der Mohtaraf Al-Rimal ist nicht nur eine kulturelle Bereicherung, durch Veranstaltungen und den Verkauf von Kunstwerken wirft er mittlerweile auch Gewinn ab. Doch das wirtschaftlich erfolgreichste Kulturprojekt ist derzeit das Kulturcafé JAFRA in der Innenstadt.
"Die Einrichtung habe ich in jahrelanger Arbeit größtenteils selbst zusammengezimmert", erzählt der Raumdesigner und Jungunternehmer Aziz Mashaikh. Mittlerweile beschäftigt das JAFRA über fünfzig Angestellte in Vollzeit. Doch Geld allein interessiert Mashaikh nicht. "Downtown Amman war jahrelang kulturell so gut wie tot. Mir geht es darum, wieder Leben in die Innenstadt zu bringen, und einen Platz zu schaffen, wo inhaltlich anspruchsvolle Künstler ihre Arbeit präsentieren können."
Außerdem, so Mashaikh sollte der Ort nicht Männern vorbehalten, sondern grundsätzlich für alle offen sein: Eltern und Kinder, Männer und Frauen, Einheimische und Touristen, mit WLAN und ohne. Bislang geht Mashaikhs Konzept voll auf. Anfang Juli 2008 hat Mashaikh im Viertel Webdeh ein weiteres Café eröffnet.
Martina Sabra
© Qantara.de 2008
Qantara.de
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