Koranwissenschaftliche Ansätze auf dem Prüfstand


Andererseits waren viele Diskussionsteilnehmer der Meinung, Textkritik sei - historisch wie linguistisch - sehr geläufig unter muslimischen Theologen. Mehrfach darauf verwiesen, dass die Muslime bereits in einem frühen Stadium hermeneutisch mit dem Koran umgegangen seien.
Auch auf aktuelle Kontroversen, wie die syro-aramäische Lesart des Korans wurde auf dem dreitägigen Symposium eingegangen. Daniel Birnstiel von der Cambridge-University versuchte nachzuweisen, dass die Übersetzungen Luxenbergs willkürlich seien und auf viel zu wenig Kenntnis darüber basierten, wann syrisch-aramäische Begriffe in den arabischen Sprachraum Aufnahme fanden.
Kritik an "Ankaraner Schule"
Besonders überraschte der Jesuit und Theologieprofessor Felix Körner mit seiner kritischen Bewertung der so genannten "Ankara-Schule", einer der vorherrschenden reformtheologischen Strömungen aus der Türkei, für deren Bekanntheit er in Deutschland viel getan hat und die vor allem mit Professor Ömer Özsoy verbunden wird.
Körners Kritik war unmissverständlich: Die Koranhistorisierung Özsoys sei nicht mehr Selbstauslegung einer Schriftreligion, sondern "geschichtlich verbrämter Konsens-Ethos". Und weiter: Alle Reformansätze nähmen dem Koran seine reformatorische Potenz.
In einer von Überraschungen reichen Tagung, war dies sicher die am wenigsten zu erwartende und verwirrendste. Die Fülle der vorgestellten neuen Forschungsansätze in der Koranforschung und unterschiedlichen Beurteilungen ließ ohnehin viele Islamwissenschaftsstudenten recht ratlos zurück.
Und bei manchem kam der Eindruck auf, dass sich vieles "in Beliebigkeit" auflöse. Hätte man sich auf deutlich weniger Aspekte in dem breiten Themenspektrum konzentriert, hätte man der Debatte über zeitgemäße Koraninterpretationen gewiss mehr abgewinnen können.
Erhard Brunn
© Qantara.de 2008
Qantara.de
Porträt des türkischen Koranexperten Ömer Özsoy
Modernes Islamverständnis statt Missionsgedanke
Den Koran im historischen Kontext begreifen – so die Kernbotschaft von Ömer Özsoy. Seit 2006 ist der aus Kayseri stammende Koran-Experte erster muslimischer Theologieprofessor auf einem deutschen Lehrstuhl. Von Arian Fariborz
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Christoph Luxenbergs Buch zur Entstehungsgeschichte des Korans fand in der internationalen Öffentlichkeit ein großes Echo. Doch die Islamwissenschaftler bleiben skeptisch. Michael Marx fasst die Ergebnisse einer Berliner Konferenz zum Thema zusammen.
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