Ende der Dialogbereitschaft?
Rückendeckung bekamen die Mitarbeiter von Scheich Youssef al-Qaradawi, der aus der TV-Sendung "Scharia und Leben" auf Al Jazeera bekannt ist. Der ägyptische Geistliche gehörte 1997 zu den Gründern von IOL. Mit finanzieller Hilfe von Sheika Mozah, der Frau des regierenden Emirs von Katar, übernahm die Al-Balagh Cultural Society ein Studentencomputerprojekt der Universität, aus dem sich schließlich die Webseite entwickelte.
"Dieses Projekt ist weder nationalistisch noch für irgendeine Gruppe bestimmt", sagte der islamische Gelehrte al-Qaradawi damals. "Es ist ein Projekt für die gesamte islamische Gemeinde. Es ist der Dschihad unserer Epoche." Mit anderen Worten: eine zeitgemäße Werbung für den Islam.
Aus dem Missionsgedanken entstand jedoch ein Portal, vergleichsweise wenig dogmatisch, das am Austausch unterschiedlicher Meinungen interessiert war und auch Tabuthemen wie Pornographie oder Homosexualität aufgriff. Im Rahmen des konservativen Mainstreams etwas Besonders.
Wer ist der Chef im Haus
Aus der Unterstützung Youssef al-Qaradawis wurde jedoch nichts. Er wollte mit den IOL-Beschäftigten verhandeln und eine Lösung finden. Kurz vor seiner Abreise nach Kairo setzte man den Scheich kurzerhand als Vorsitzenden der Al-Balagh Cultural Society ab.
Letztendlich ein Affront für den 84-Jährigen, der bisher über 80 Bücher veröffentlicht hat und, trotz seiner oftmals umstrittenen Erklärungen und Fatwas, einer der einflussreichsten islamischen Gelehrten ist. Ein Schritt, mit dem Katar unmissverständlich deutlich wollte, wer der Chef im Hause ist. Allerdings mit wenig Wirkung.
Die IOL-Mitarbeiter setzten ihre Sit-ins im Bürogebäude fort und kämpften weiter für ihre Interessen. Auflehnung gegen Autorität und ziviler Ungehorsam: Etwas, an das man in den meisten arabischen Ländern, gerade in der Golfregion der Emire und Könige, nicht gewohnt ist.
Widerstand und juristischer Protest
Das anfängliche Angebot einer Abfindung, uneingeschränkt für alle, wurde von Katar wieder zurückgezogen, danach dennoch vertraglich fixiert, aber bis heute nicht erfüllt. Eine emotionale Achterbahnfahrt für die etwa 350 IOL-Angestellten, bei denen es allen um die Existenz geht. Anscheinend setzte man in Katar auf die Devise: Wenn es ums Geld geht, dann hat die Solidarität bald ein Ende.
"Aber hier geht es nicht ums Geld", wie Abu Hattab, der IOL-Redakteur versichert. "Es geht vielmehr um redaktionelle Unabhängigkeit und Medienethik. Wir geben nicht nach. Sie wollen IOL beschlagnahmen, aber wir leisten Widerstand!"
Der Anwalt der Belegschaft, Yasser Fathi, reichte letzte Woche bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) der UNO eine Beschwerde ein. Die Manager aus Katar, die die Gelder von IOL in Ägypten verwalten, hätten gegen das Gesetz und die Rechte der Arbeitnehmer verstoßen.
Außerdem wurde ein Bericht bei der Staatsanwaltschaft in Kairo abgegeben und eine Klage eingereicht. Man hätte sich nicht an den ausgehandelten Vertrag über die Abfindungen gehalten. Die Administration schuldet mehr 270 IOL-Mitarbeitern 12 Millionen ägyptische Pfund (1,6 Millionen Euro). Angeblich soll das Geld bald ausbezahlt werden, aber nach den Ereignissen der letzten vier Wochen, kann man davon ausgehen, dass dieser Streit noch lange nicht ausgefochten ist.
Alfred Hackensberger
© Qantara.de 2010
Redaktion: Lewis Gropp/Qantara.de
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