Berliner Schnauze mit palästinensischem Herz

"Spiritualität im HipHop und den muslimischen Rap gab es schon immer, z.B. Brand Nubian in den USA", sagt sie, nur in Deutschland würde man jetzt erst darauf aufmerksam: "Die junge Generation in Deutschland fragt sich: Was ist denn der Islam? Auch in der Musik. Und angesichts der Islamdebatte wird man dazu gezwungen, Farbe zu bekennen."
Vor allem beobachtet sie bei den Jugendlichen ein größeres Selbstbewusstsein, zum Islam zu stehen, wenn auch anders als die Eltern. Sie selbst habe sich als Teenie ohnehin ganz anders verhalten. "Man hört jetzt öfter 'salamu alaykum' statt 'merhaba', man hört auch mehr 'masha'allah' statt 'krass'! Sie hören zwar auch Gangsta-Rap und machen all den Mist, den Teenies halt so machen, aber sie sind schon anders drauf. Sie sind selbstbewusster, sie gehen nach vorne."
"Ihtisham" – die weibliche Macht
Es ist auch dieses junge Publikum, das Sahira bei ihren Auftritten empfängt, vor allem viele Mädchen, für die sie ein Vorbild sein möchte. "Wenn ich nach einem Auftritt von jungen Frauen höre: Mann, man kann ja auch mit einem 'ihtisham' cool sein und rappen, dann sehe ich: Die haben Hoffnung, die haben ein Vorbild. Das macht mich stolz."
'Ihtisham' heißt nicht Kopftuch, dieses Wort mag Sahira ohnehin nicht. 'Ihtisham' bezieht sich mehr auf das "angezogen sein" – wissend, dass man eine weibliche Macht besitzt, so die HipHopperin: "Ich trag's ja nicht klassisch. Bei mir sieht man hinten die Haare, die Ohrringe und das ganze Drumherum. Und der Hals ist frei." Im HipHop sei es völlig egal, wie man sich kleide, und selbst mit Minirock sei sie schon mal als Moralapostel aufgetreten.
Sahira ist im gutbürgerlichen Berlin-Wilmersdorf aufgewachsen, unter Deutschen, wohlbehütet. Heute wohnt sie im bunten Stadtteil Wedding, wo vor allem türkische und arabische Muslime eng zusammenleben.
Dort erlebt sie auch häufig Situationen mit Muslimen, die sie verärgern: "Manche Muslime sagen, dass die Stimme der Frau 'awra (Blöße) ist. Sie interpretieren es so, dass die Frau nicht singen darf. Auch bei meinem Kleidungsstil wissen sie nicht, in welche Schublade sie mich packen sollen."
"Frauenfeindlichkeit überall im System"
Anscheinend ist das, was sie repräsentiert, schon ein Missverständnis. Gerade die Muslime sehen an ihr viel Widersprüchliches. Aber die jungen Frauen verstünden ihre Botschaft, und die lautet: "Der Islam wurde mit 'iqra', also lies, eröffnet und das ist die Pflicht von uns allen, besonders uns Frauen. Sonst nehmen wir nur alles hin, sitzen zu Hause, haben 50 Tücher im Haar und sind im Grunde gar nicht glücklich. Bildung ist vor allem ein Recht der Frauen."
Und was ist mit den Männern? Auf ihrem zweiten Album "Mit reiner Absicht" singt Sahira mit ihrer warmen Stimme eine Hommage an die Liebe, an die Männer, die es ernst meinen: "Du bist so stolz, so rein, so stark, so weich, so wahr, masha'allah'. Es ist mit Dir so vollkommen zu sein, so warm, so klar, 'subhanallah'."
Ibn Halal heißt der Song. Ibn Halal, das ist der gute Mann, den man heiratet, erklärt sie. Der Mann, mit dem man sein Leben lebt. "Bei uns sagt man: Ibn Halal ist nicht der, der aus dem Fenster, sondern von der Tür reinkommt."
Und was ist mit den ganzen Kerlen im Gangsta-Rap, wie steht sie zu den sexistischen, Gewalt verherrlichenden Texten? "Das sind für mich keine Gangster, das sind kleine Gauner. Eminem z.B. ist ein lyrisch-krasser Typ, obwohl er teilweise heftige Texte hat. Ich nehme es gar nicht so ernst. Und Frauenfeindlichkeit hast du überall im System."
Nimet Seker
© Qantara.de 2008
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