Schwieriger Kompromiss




Auch andere Staatsämter – selbst in der Armee – wurden nach einem Proporz verteilt und auch die Kandidaten in den verschiedenen Wahlkreisen setzten sich danach zusammen.
Dieses System, dessen Grundlage auf einer Volkszählung in den Dreißiger Jahren beruht, hat zur Folge, dass viele Libanesen sich zuerst als Angehörige ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaft betrachten und dann erst als Libanesen. Und dass sie zur Durchsetzung und Verteidigung ihrer Ansprüche wahllos Allianzen und Zweckbündnisse eingehen, die mit Gefühl und Vernunft wenig zu tun haben, sehr viel aber mit Opportunismus.
Machtinteressen der religiösen Gruppierungen
So waren die Christen, die sich als die "wahren Libanesen" bezeichneten, meist mit dem Westen, streckenweise sogar mit Israel liiert, heute gehört ein Teil von ihnen zum Regierungslager, ein anderer sucht seine Vorteile bei Hisbollah.
Die Sunniten gehörten einst zu den Protagonisten des (sunnitischen) Panarabismus, unterstützten die PLO und waren auch mit Syrien verbündet, lehnen den Einfluss von Damaskus heute aber ab.
Die Drusen reklamierten ihrerseits ein fast autonomes Gebiet im Libanon (die Berge des Chouf), dann verbündeten sie sich mit Damaskus, um dieses heute aus der Regierungskoalition heraus abzulehnen. Die Schiiten schließlich begannen erst Mitte der Siebziger Jahre, unter ihrem – wahrscheinlich von Libyen ermordeten - damaligen Führer Moussa Sadr, politisch aktiv zu werden.
Erst später gerieten sie unter den Einfluss Syriens und – besonders – des Iran. Anfangs beklagten besonders die Schiiten dies Südlibanon, von der PLO in den Konflikt mit Israel hineingezogen zu werden, längst aber erklärt sich Hisbollah solidarisch mit der in Damaskus ansässigen Ablehnungsfront unter den Palästinensern.
Seit anderthalb Jahren fordert Hisbollah nun den Rücktritt der Regierung Siniora oder ersatzweise eine Rückkehr in die Regierung, wobei sie aber auf einem Vetorecht besteht, das ihr rein zahlenmäßig auch dann nicht zustünde, wenn sie dauerhaft mit den Christen um Ex-General Michel Aoun liiert blieben.
In Qatar hat man versucht, einen Ausweg aus dieser verfahrenen Situation zu finden. Es muss aber bezweifelt werden, dass die Vereinbarung von Dauer ist, denn sie löst keines der alten Probleme. Vielleicht aber beschert sie dem Libanon wenigstens eine längere Atempause. Denn die Alternative heißt Bürgerkrieg und den will niemand.
Peter Philipp
© DEUTSCHE WELLE 2008
Qantara.de
Kämpfe im Libanon
Wird der Libanon von seiner Vergangenheit eingeholt?
Seit dem jüngsten Gewaltausbruch wird Libanon von der Angst vor einem neuen Bürgerkrieg heimgesucht. Der Schriftsteller Hassan Dawud ist als Feuilletonchef bei der Tageszeitung "Al-Mustaqbal" tätig, deren Redaktionsgebäude in Brand gesteckt wurde. Auf der Flucht ist der folgende Beitrag entstanden.
Stellvertreterkonflikte im Libanon
Im Spannungsfeld externer Interessen
Seit jeher werden im Libanon die Konflikte westlicher und arabischer Staaten ausgetragen. Auch jetzt könnte das Land wieder zum Schauplatz zerstörerischer Spannungen werden, meint der in Beirut ansässige Nahostexperte Michael Young.