"Die Energie kommt aus Istanbul!"
Nachdem Istanbul den Zuschlag erhalten hatte, hat Serhan Ada bei der Gestaltung des Kulturhauptstadt-Programmes mitgearbeitet. Doch als er sah, daß es in eine andere Richtung laufe, sei er schnell ausgestiegen.
Genau dasselbe gilt für Asu Aksoy, die an der Bilgi-Universität Kommunikationswissenschaften unterrichtet. "Um mit den einzelnen Projekten Synergie und Energie zu erzeugen, wie das unsere Vision gewesen ist, braucht es eine gewisse Geisteshaltung, und die fehlt. Es braucht eine Mentalität, die wirklich an die Stadt denkt", meint Aksoy.
Jetzt gebe es nur eine lange Liste von Projekten, die den einzelnen Kunst-Disziplinen wichtig seien. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die Bevölkerung bisher nur wenig Anteil nimmt und jetzt mit Hilfe von Werbekampagnen begeistert werden soll.
Denn in der breiten Öffentlichkeit hat das Event bisher hauptsächlich durch Skandale Aufmerksamkeit erregt. Kurz vor Eröffnung des Programms sind auch die letzten beiden NGO-Vertreter abgesprungen.
Nun sind Politiker und Bürokraten sowie Künstler unter sich. Viel Wirbel gab es auch um Korruptionsvorwürfe, und um mangelnde Transparenz. Es geht um große Summen, doch eine unabhängige Kontrolle der Agenturverwaltung, des Geldflusses und der Budgetausgaben fehle, sagt Faruk Pekin, der NGO-Vertreter, der zuletzt seinen Hut genommen hat.
Aus Fehlern lernen
Für Kulturmanagerin Derya Coskun liegt das Problem jedoch noch tiefer: "Korruption gibt es überall in der Türkei, es ist ein wahrer Sumpf! Das hat nichts mit 2010, sondern mit uns allen zu tun. In den Stadtverwaltungen, in der Staatsbürokratie, überall. Und das ist auch in der Privatwirtschaft nicht anders, in den großen Holdings und in den Fernsehsendern."
Doch trotz aller Kritik ist die Kultuhrhauptstadt 2010 für Istanbul eine große Sache. Erstmals präsentiert sich eine Stadt, der immer noch viele das Europäische absprechen.
Zu Unrecht, denn im Kulturhautpstadtprogramm kommt erstmals auch die Kultur der religiösen Minderheiten, der Griechen, Juden und Armenier mit auf die Bühne. Erstmals spiegelt sich Istanbul daher - zumindest eine Stück weit - in seiner Vielfalt wider.
Günter Seufert
© Deutsche Welle 2010
Qantara.de
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