Dem Fanatismus den Wind aus den Segeln nehmen

Das 1994 in Amman gegründete "Königliche Institut für Interreligiöse Studien" versteht sich als Drehscheibe für den Dialog zwischen Christen und Muslimen und als Zentrum, das den Ursachen für den radikalen Islamismus auf den Grund geht. Martina Sabra informiert

Das 1994 in Amman gegründete "Königliche Institut für Interreligiöse Studien" (RIIFS) versteht sich als Drehscheibe für den Dialog zwischen Christen und Muslimen und als Zentrum, das den Ursachen für den radikalen Islamismus auf den Grund geht. Martina Sabra informiert

Die Aufgabe des 'Königlichen Instituts für Interreligiöse Studien' ist, den interreligiösen Dialog zu fördern - zunehmend auch auf nationaler Ebene

​​Das von Prinz Hassan, dem Bruder des verstorbenen jordanischen Königs Hussein gegründete "Königliche Institut für Interreligiöse Studien" steckt bereits jetzt in den Vorbereitungen für den zweiten Weltkongress der Orientwissenschaften (WOCMES), der im Juni 2006 in Amman stattfinden soll.

Planungen für den Weltkongress

Auf der Internetseite des Instituts ist der Weltkongress schon angekündigt. Doch in der Sandstein verklinkerten Villa im Herzen von Amman geht es noch ganz ruhig zu. "Kein Stress", winkt Hasan Abu Nimah ab, "wir haben noch über ein Jahr Zeit und sehr viele Unterstützer. Das schaffen wir!"

Das "Königliche Institut für Interreligiöse Studien" in Amman bereitet sich für seine bislang größte Veranstaltung vor. Mehrere tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden im Juni nächsten Jahres zum zweiten Weltkongress der Orientwissenschaften (WOCMES) in der jordanischen Hauptstadt erwartet.

Zum ersten WOCMES waren im Jahr 2001 mehr als 1500 Experten aus aller Welt nach Mainz (Deutschland) gereist. Dort hatte Prinz Hassan bei der Eröffnung versprochen, den nächsten Kongress nach Jordanien zu holen.

"Den WOCMES hier in Amman zu haben, ist für uns sehr wichtig", sagt Hasan Abu Nimah. "Wir treten immer rasanter in den Prozess der Globalisierung ein und stellen dabei fest, dass die Probleme in verschiedenen Teilen der Welt miteinander verknüpft und voneinander abhängig sind. Der WOCMES soll ein Forum sein, auf dem diese Themen zur Sprache kommen."

Seither 1994 waren im "Königlichen Institut für Interreligiöse Studien" viele bekannte Forscher und Forscherinnen zu Gast, unter anderem die verstorbene Annemarie Schimmel und der US-Amerikaner Bernhard Lewis.

Konfessionelle Begegnung

Heute reichen hier Christen, Muslime und Juden einander die Hand: als Konferenzteilnehmer, als Gastwissenschaftler oder als Autoren der beiden wissenschaftlichen Zeitschriften, die das Institut in arabischer und englischer Sprache herausgibt. Gearbeitet wird interdisziplinär und mit dem gemeinsamen Ziel, Fanatismus vorzubeugen.

Die Hauptaufgabe des Instituts ist nach wie vor, den Dialog zwischen Christen und Muslimen zu fördern, wobei neben der internationalen und regionalen Ebene zunehmend auch die nationale Ebene immer mehr ins Blickfeld rückt. Denn Jordanien ist zwar immer noch ein gutes Beispiel dafür, dass verschiedene Religionen nebeneinander leben können.

"Muslime und Christen in Jordanien sind oft kaum voneinander zu unterscheiden, nicht nur was das Aussehen betrifft, sondern auch die Lebenseinstellung und die Denkweise", meint Abu Nimah. "Niemand wird zu Ihnen sagen: 'Ich bin Muslim' oder 'ich bin Christ'."

Konflikte durch aggressive Islamisierung

Aber auch der Diplomat Abu Nimah räumt ein, dass das Zusammenleben von Christen und Muslimen in Jordanien nicht mehr so harmonisch ist wie einst, und dass immer mehr Christen auswandern – nicht nur wegen ökonomischer Probleme, sondern auch weil radikale Gruppen mit ihrer aggressiven Islamisierung des öffentlichen Lebens Andersdenkende und Andersgläubige an den Rand drängen.

"In Jordanien leben höchstens noch 150.000 Christen", schätzt der Experte Mohammed Haddad von der Universität Irbid. "vor 20 Jahren waren es noch doppelt so viele."

Die Hauptursachen für die zunehmende Popularität des ideologisierten, totalitären Islamismus führt Abu Nimah auf die wachsende politische und soziale Ungerechtigkeit zurück.

Solche Zusammenhänge zur Diskussion zu stellen und die Ursachen von politischem Fanatismus zu benennen, zählt für ihn zu den Hauptaufgaben des Instituts. "Religionen werden niemals verschwinden, und wir wollen auch die Religionen nicht aus dem Alltagsleben verbannen", mein Abu Nimah.

"Aber der Rückgriff auf die Religion und auf das Übernatürliche aus politischen Gründen wird überflüssig, wenn es bessere Regierungsführung und bessere internationale Schutzmechanismen gibt, die für mehr Gerechtigkeit sorgen, anstatt immer aufs Neue Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit zu produzieren."

Die "Botschaft von Amman" als Gegenmodell

Das jordanische Königshaus versucht auf zweifache Weise, religiösen Fanatikern im Land den Wind aus den Segeln zu nehmen: Zum einen durch wirtschaftliche und politische Reformen, zum anderen durch eine modernistische Koraninterpretation, wozu sich die haschemitische Dynastie, aufgrund ihrer direkten Abstammung vom Propheten Mohammed, besonders berufen fühlt.

Die so genannte "Botschaft von Amman", die König Abdullah II. Ende 2004 präsentierte, plädiert für einen liberalen, aufgeklärten Islam. Beim Institut für Interreligiöse Studien ist die AMMAN MESSAGE Programm.

Als ehemaliger Diplomat bei den Vereinten Nationen glaubt Hasan Abu Nimah zwar nicht, dass Debatten über religiöse Gemeinsamkeiten oder eine Neu-Interpretation des Korans die wesentlichen Konflikte im Nahen Osten lösen können. Der zentrale Konflikt, um Palästina, sei letztendlich nicht religiös, sondern politisch. Aber man müsse auch den veränderten Realitäten Rechnung tragen.

"Mit der Zeit hat die religiöse Dimension des Konfliktes zugenommen", sagt Abu Nimah. "Die Juden begründen ihren Anspruch mit der Bibel, und die Muslime, die in Palästina für ihre Rechte kämpfen, beziehen sich auf den Islam und die heiligen Stätten Jerusalem als angeblich göttliches Unterpfand. Wenn man diese Vermischung von Politik und Religion aber als normal hinnimmt, dann ist das sehr gefährlich. Man muss sich auf die friedlichen Werte konzentrieren, die allen gemeinsam sind: Respekt, Toleranz und die gegenseitige Achtung der Menschenrechte."

Martina Sabra

© Qantara.de 2005

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Website des Königlichen Institutes für Interreligiöse Studien