"Ich betrachte mich jetzt schon als Palästinenser"



Atzmons Debütroman, den er jetzt persönlich in Deutschland vorstellt, heißt "Anleitung für Zweifelnde", und trägt damit wohl nicht ganz zufällig denselben Titel wie das Werk, mit dem der jüdische Philosoph Maimonides vor über 800 Jahren seine jüdischen Zeitgenossen zurück auf den rechten Weg führen wollte. Doch im Gegensatz zu seinem akademischen Vor-Vor-Vater entwirft der ehemalige Philosophiedoktorand Gilad Atzmon keine scholastischen Denkgebäude, sondern eine satirisch-moderne Sicht auf die Welt. Der Roman spielt im Jahr 2052: der Zionismus ist tot, Israel ist als jüdischer religiöser Staat an seinen eigenen Widersprüchen gescheitert. Gilad Atzmons Alter Ego, der Philosophieprofessor Gunther Wanker ist aus Israel nach Deutschland ausgewandert, hat die 'Peepologie' erfunden, und nach seinem Tod ein umfangreiches wissenschaftliches Werk hinterlassen. Die Peepologie, oder "Wissenschaft von Voyeurismus und Assimilation", basiert auf der freien Liebe und soll die Juden und die Menschheit vor sich selbst retten. Was sich liest wie eine bitterböse Satire auf die Regierung Ariel Scharons, davon ist Gilad Atzmon zutiefst überzeugt: "Wenn man bedenkt, dass in weniger als zehn Jahren mehr Nichtjuden als Juden zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer leben werden, dann ist doch eigentlich klar, dass es im Nahen Osten irgendwann einen Staat Palästina geben wird. Ich betrachte mich schon jetzt als Palästinenser", sagt der Künstler augenzwinkernd.
Förderung von Antisemitismus?
Als der Roman im Jahr 2001 in Israel im hebräischen Original erschien, war das Echo in der israelischen Presse sehr positiv. Doch ein literarisches Meisterwerk ist die "Anleitung für Zweifelnde" nicht. Die Grundidee ist zwar originell, der Text stellenweise hervorragend geschrieben. Die einfache Handlung und die inhaltlichen Wiederholungen wirken allerdings auf die Dauer ein wenig ermüdend. Und angesichts des zunehmenden Rassismus in Deutschland stellt sich auch die Frage, ob Atzmons Buch möglicherweise Antisemitismus fördert: Gilad Atzmon ist das egal. Es habe schon Bedenken bei der Übersetzung ins Deutsche gegeben, räumt er ein. Aber er habe keine Angst: "Wenn Leute meine Ideen benutzen wollen, um irgendetwas zu rechtfertigen oder ihre eigene Agenda durchzuziehen: bitte schön! Vergessen Sie nicht: dieses Buch ist eine Fiktion. Es beschreibt den Prozess der Ablösung, von einer Entfremdung, vom selbstauferlegten Exil, und ich denke, wenn Sie es als Deutsche lesen, denken Sie vielleicht dabei an sich selbst."
Martina Sabra
© Qantara.de 2003