Paris macht "Schlächter von Hama" den Prozess
Hat der Onkel des syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad rund 90 Millionen Euro aus der Staatskasse seines Landes abgezweigt, um damit zahlreiche Immobilien in Frankreich zu erwerben? Darüber soll ein Pariser Gericht nach einem mehrmonatigen Prozess gegen Rifaat al-Assad in Kürze sein Urteil fällen.
Das Pariser Urteil dürfte auch in Spanien mit Interesse verfolgt werden. Denn auch dort hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Sie wirft dem 82 Jahre alten Rifaat al-Assad vor, mit gestohlenem Geld - die Rede ist von 600 Millionen Euro - zahlreiche Anwesen erworben zu haben. In Paris sollen unter anderem zwei Stadthäuser, ein Gestüt und ein Schloss zum Besitz des Assad-Onkels Rifaat al-Assad gehören.
Der 82-Jährige weist die Anschuldigungen aus Paris und Madrid kategorisch zurück. Er war zunächst syrischer Verteidigungsminister. 1984 wurde er zu einem von drei Vizepräsidenten des Landes ernannt.
Als im Frühjahr 1982 in der Stadt Hama ein überwiegend von Muslimbrüdern organisierter Aufstand gegen die Präsidentschaft von Rifaats Bruder Hafis al-Assad losbrach, wurde Rifaat mit der Niederschlagung der Proteste beauftragt. Dabei kamen bis zu 30.000 Menschen um. Seitdem ist Rifaat al-Assad vielen Syrern als "Schlächter von Hama" bekannt.
Geschäfte im Exil
Nach einem misslungenen Putschversuch gegen seinen Bruder Hafis ging Rifaat al-Assad 1984 ins französische und spanische Exil. Dort trat er als Geschäftsmann auf. Offiziell fast völlig mittellos, kaufte er in den folgenden Jahren zahlreiche Immobilien. Deren Finanzierung durchleuchtete der Ende vergangenen Jahres gegen ihn eröffnete Prozess in Paris.
Unter Verdacht stehen auch Mitglieder der mütterlichen Verwandtschaftslinie von Syriens Diktator Baschar al-Assad. Mehrere Mitglieder der Familie Makhlouf - enge Vettern und Berater des derzeitigen Präsidenten - haben nach Angaben der auf Korruption spezialisierten britischen Nichtregierungs-Organisation (NGO) "Global Witness" in den vergangenen Jahren 40 Millionen Dollar in zwei Zwillingshochhäuser im Moskauer Geschäftszentrum investiert.
Die Familie soll auch eine Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung von Baschars Präsidentschaft nach dem 2011 begonnenen Aufstand gespielt haben. Angaben von "Global Witness" zufolge könnten Mitglieder der Familie die Investitionen in Russland auch dazu genutzt haben, Gelder des Regimes an den EU-Sanktionen vorbeizuleiten.
Die Familie Assad ist unter den wohlhabenden Herrschern des Nahen Ostens und Nordafrikas nicht die einzige, die Besitztümer in Europa hat. Zwar sind die meisten Investitionen nicht zwangsläufig illegal. Doch der fernab ihrer Heimat aufgetürmte Wohlstand steht im Gegensatz zum bescheidenden Lebensstandard der Bevölkerung in der Region.
Mubarak, Gaddafi & Co.
Gewaltige Reichtümer häuften auch die Mitglieder der Familie Mubarak in Ägypten an. Als Präsident Hosni Mubarak 2011 stürzte, wurde sein privates Vermögen auf mindestens 4,6 Milliarden Euro geschätzt. Im Besitz der Familie fanden sich Luxusimmobilien in London, Paris sowie in mehreren spanischen Städten. Einige der Grundstücke wurden laut der investigativen Enthüllungen im Rahmen der so genannten "Panama Papers" von seinen Söhnen über Briefkastenfirmen gehalten.
Auch der libysche Machthaber Muammar Gaddafi war ein wohlhabender Mann. Als er 2011 gestürzt wurde, taxierten libysche Beamte sein auf Konten, Investitionen und Immobilien weltweit verteiltes Vermögen auf viele Milliarden Euro. Eine seinem Sohn Saadi Gaddafi gehörende Villa in London im Wert von 11,5 Millionen Euro wurde den libyschen Behörden 2012 zurückerstattet. Das weitere Vermögen seiner direkten Angehörigen sowie eines Teils seiner Gefolgsleute bleibt aufgrund von EU-Sanktionen eingefroren.
Gelder vom Golf
Auch Angehörige der Herrscherfamilie von Saudi-Arabien haben in Europa investiert. Kronprinz Mohammed bin Salman hat um seinen Reichtum nie ein großes Geheimnis gemacht. Doch als er 2015 das rund 276 Millionen Euro teure Chateau Louis XIV. in Frankreich kaufte, zog er es vor, über den Kauf zu schweigen. Es war die "New York Times", die 2017 darüber informierte, dass das Schloss aus dem 17. Jahrhundert - ausgestattet mit einem Brunnen aus Blattgold und einem eingezäunten Labyrinth inmitten ausgedehnter Gärten - in das Eigentum des Kronprinzen übergegangen war.
Die neue geplante Anlage des Kronprinzen, eine Beteiligung an dem englischen Fußballklub "Newcastle United", sorgte für Empörung unter den Fans, die auf die bin Salman zur Last gelegte Mittäterschaft an der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 verweisen. Außerdem droht der mögliche Verkauf des Fußballklubs an ein Konsortium mit saudischer Beteiligung die Premier League in den Konflikt zwischen den verfeindeten Golfstaaten zu ziehen.
Die Scheichs und der Fußball
Auch andere Golfstaaten zeigen schon seit längerem großes Interesse an europäischen Fußballclubs. Die qatarische Herrscherfamilie Al Thani kaufte 2012 den Fußballklub Paris Saint-Germain. Zuvor hatte sie bereits viele Milliarden Euro an staatlichen Geldern in europäische Immobilien investiert. Dazu gehörte auch eine Beteiligung von 95 Prozent am Londoner Hochhaus "The Shard", ehemals das höchste Gebäude Europas.
Auch der Staatspräsident der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Herrscher von Abu Dhabi, Scheich Khalifa bin Zayid Al Nahyan, hat massive Summen in Europa investiert. Der Enthüllungsplattform "Panama Papers" zufolge verfügt er in London über ein persönliches Vermögen von rund 1,1 Milliarden Euro. Dem stellvertretenden Premierminister der VAE, Scheich Mansour bin Zayid Al Nahyan, wiederum gehört der bekannte britische Fußballklub Manchester City.
Das europäische Portfolio des Herrschers von Dubai, Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum, umfasst ein umgerechnet fast 86 Millionen Euro schweres Anwesen in der britischen Grafschaft Surrey. Auch ein Vollblutgestüt im Wert von rund 51 Millionen Euro nennt er sein eigen.
Doch Maktoum - er gilt als enger Freund von Königin Elizabeth II. - muss aus Großbritannien auch unangenehme Nachrichten zur Kenntnis nehmen. So stellte ein britisches Gericht im vergangenen Monat fest, er habe zwei seiner erwachsenen Töchter entführt und eine Kampagne der "Angst und Einschüchterung" gegen seine jüngste Frau, Prinzessin Haya, geführt. Damit stellte das Londoner Gericht indirekt auch klar: Selbst Investoren, die Millionen ins Land bringen, sind nicht sakrosankt.
Tom Allinson
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Aus dem Englischen von Kersten Knipp