Erdogan bleibt auf Europakurs


Erdogan und Sarkozy haben mehrmals miteinander telefoniert und wollen ihre Kontakte auch bald persönlich fortsetzen. Noch vor dem EU-Gipfel im Dezember, bei dem Sarkozy grundsätzlich über die türkische EU-Bewerbung sprechen will, wird Erdogan zu Gesprächen in Paris erwartet.
Frankreich ist aber nicht der einzige Stolperstein für die Türken auf dem Weg in die EU. Wegen des Streits um Zypern liegen die türkischen Beitrittsgespräche seit dem letzten Winter teilweise auf Eis.
Nach wie vor weigert sich die Türkei, ihre Häfen für Schiffe aus der zur EU gehörenden griechischen Republik Zypern zu öffnen, solange die EU ihr Handelsembargo gegen den türkischen Inselteil nicht lockert. Zudem steht neuer Krach ins Haus: Die griechischen Zyprer wollen in den Gewässern um die Insel nach Erdöl suchen lassen, was nach türkischem Verständnis nicht ohne Zustimmung der türkischen Zyprer geht.
Vorschläge zum Zypern-Konflikt
Von europäischen Diplomaten in Ankara ist zu hören, dass Erdogans Regierung hinter verschlossenen Türen an neuen Vorschlägen arbeitet, um den Zypern-Konflikt zumindest zu entschärfen. Mehr dürfte auf kurze Sicht auch nicht erreichbar sein.
Ein neuer Anlauf für eine umfassende Lösung des Konflikts, der 1974 mit einem griechischen Putsch in Nikosia und einer anschließenden türkischen Militärintervention begann, ist frühestens nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im griechischen Teil der Insel im kommenden Frühjahr zu erwarten.
Beim Zypern-Konflikt wie bei anderen neuralgischen Punkten ihrer Europa-Bewerbung ist es für die Türkei wichtig, möglichst bald guten Willen zu zeigen: Im Herbst steht ein neuer Fortschrittsbericht der EU zur Türkei an, der für Brüssel als Grundlage für die weitere Bewertung der türkischen Kandidatur dienen wird.
Um rechtzeitig vor dem Bericht noch Punkte sammeln zu können, hat die neue Erdogan-Regierung mehrere Möglichkeiten. So könnte sie den von der EU scharf kritisierten Strafrechtsparagrafen 301, der die "Beleidigung des Türkentums" unter Strafe stellt, abschaffen oder zumindest abändern.
Auch die nach der Wahl begonnene Debatte in Ankara über eine neue Verfassung für die Türkei könnte der türkischen EU-Bewerbung nutzen.
Schließlich geht es Erdogans Regierung bei dem Projekt darum, die noch aus den Zeiten des letzten Militärputsches von 1980 stammende Verfassung durch ein "ziviles" Grundgesetz zu ersetzen. Der Widerstand der Armee und politischer Reformgegner ist absehbar – da kann Erdogan die Unterstützung Europas gut gebrauchen.
Susanne Güsten
© Qantara.de 2007
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