Religiöse Barrieren überbrücken


Da Sharma wusste, dass er von den Regierungen der Länder, in denen er drehte, niemals eine Drehgenehmigung für ein solches Tabuthema erwarten dürfte, drehte er den überwiegenden Teil seines Films heimlich. "Ich gab mich daher als Tourist aus, so dass ich überall hingelangen konnte", erklärt er.
Seine eigene religiöse Identität ermöglichte es Sharma, seinen Film vom Standpunkt eines Insiders zu gestalten, mit einem hohen Maß an Respekt für den islamischen Glauben, der darin eine Rolle spielt.
"In vielerlei Hinsicht erlaubte es mir meine Religionszugehörigkeit, den Film aus einer 'muslimische Perspektive' zu drehen – und dass mit einem großen Verständnis für den Glauben", meint Sharma. "Es wäre leicht gewesen, bloß einen kritischen Film über den Islam zu machen. Doch ich arbeitete, gemeinsam mit den Darstellern im Film sehr hart daran, dass die Schönheit des Glaubens, die ihnen so wertvoll erscheint, mit großer Aufrichtigkeit und Integrität abgebildet wird."
Jihad als eine innere, spirituelle Auseinandersetzung
Den Titel des Films, "A Jihad for Love", habe er sehr bewusst gewählt. Im Westen werde Jihad ja meist nur mit "Heiliger Krieg" assoziiert. Dabei werde der Jihad in der islamischen Tradition auch als innere, spirituelle Auseinandersetzung verstanden. So erklärt Sharma:
"Wir reklamieren damit einen der mittlerweile umstrittensten und auch trennendsten Begriffe unserer Sprache für uns, und behaupten damit, dass das, was eine kleine, gewalttätige Minderheit im Islam darunter versteht, sicher nicht das ist, was der Prophet Mohammed darunter verstand. Denn er sprach tatsächlich über den viel größeren Jihad, den Kampf eines Gläubigen mit sich selbst."
Mit diesem Kampf haben es die Menschen in Sharmas Film zu tun – eine persönliche, spirituelle Auseinandersetzung um Anerkennung und auch um Liebe. Auch wenn es in ihren Geschichten viel um seelische Schmerzen geht, gibt es immer auch einen Funken Hoffnung.
Im Streben danach, den eigenen Glauben mit dem innersten ihres Wesens in Übereinstimmung zu bringen, gelingt es ihnen, einen neuen, persönlichen Bezug zum Islam aufzubauen. Und so bieten sie Muslimen (wie auch Nicht-Muslimen) eine ganz neue Perspektive, eine Sichtweise, die religiöse Barrieren überbrückt und auf eine einzige, unteilbare Menschheit abzielt.
Wandel für Moscheen und Gemeinden
"A Jihad for Love" hatte bereits eine gewaltige Resonanz auf die Zuschauer während der Filmfestivals in Kanada, Brasilien, Mexiko, Südafrika und Großbritannien.
Auch wenn der ganz überwiegende Teil der Meinungen positiv war, muss Sharma eingestehen, auch Beschwerden und sogar Drohungen erhalten zu haben. Nichtsdestotrotz brachte ihn dies nicht von seinem Ziel ab, den Film auch einem muslimischen Publikum in einem muslimischen Land zeigen zu können.
"Als ich die Reaktionen der Zuschauer sah, wurde mir klar, dass aus dem Film in wenigen Jahren schon eine ganze Bewegung entstehen kann", sagt Sharma, "denn mit diesem Film bringen wir ein muslimisches Dialogprojekt auf den Weg, das die Dinge in Bewegung bringen wird und einen wirklichen Wandel in den Köpfen herbeiführen kann. Ich werde den Film in die Moscheen und Gemeinden bringen, dorthin also, wo er wirklich hingehört."
"Wenn ich es schaffe, einen Mann in Teheran oder eine Frau in Kairo aus ihrer Isolation zu holen oder sie gar von Selbstmordgedanken abzuhalten (...) und wenn ich ihnen einen Funken Hoffnung geben kann, zu ihrer Sexualität zu stehen und ihrem Glauben trotzdem treu bleiben zu können (...) und wenn das Leben auch nur eines Menschen durch diesen Film in positiver Weise verändert würde, sähe ich ihn als Erfolg an."
Marianna Evenstein
© Qantara.de 2008
Übersetzt aus dem Englischen von Daniel Kiecol
"A Jihad for Love" wurde von Parvez Sharma gedreht und produziert, Coproduktion: Sandi DuBowski (Regisseur und Produzent des vielfach ausgezeichneten Films "Trembling Before G-d"), in Zusammenarbeit mit ZDF-Arte, Channel 4, LOGO, SBS-Australia, "The Sundance Documentary Fund" und der "Katahdin Foundation".
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