Ein marokkanischer Jude mit arabo-berberischen Wurzeln

Es sind Romane, die, auf der Suche nach der verlorenen Zeit, ein vielschichtiges, vielgesichtiges, vielstimmiges Marokko evozieren, mit Anklängen an Kafka, Canetti, Proust und immer wieder Walter Benjamin, in gewaltiger, überbordender Fabulierlust, doch stets mit scharfem Blick auf die Gegenwart. Dreh- und Angelpunkt allen Erzählens sind die Orte seiner Kindheit, Essaouira, Safi und Azilah, sind die Sitten und Bräuche, Wörter und Düfte, Legenden und Anekdoten des marokkanischen Judentums.
Der Autor, der sich selbst als Geschichtendieb und Hüter der Wörter tituliert, flicht unversehens Wörter und Wendungen aus dem Jüdisch-Arabischen mit ein, dem Berberischen, Englischen und Spanischen. Wie eine Tätowierung, so Juan Goytisolo, ein großer Bewunderer El Malehs, schreibe der marokkanische Dialekt sich dem Französischen dieses Autors ein, des Nestors und großen Außenseiters des franko-marokkanischen Literaturbetriebs, den es außerhalb Marokkos noch zu entdecken gilt.
Bekenntnis zur pluralen Identität Marokkos
Als großer Entdecker gilt El Maleh selbst, nämlich als engagierter Kunstkritiker und Förderer der marokkanischen Kunstszene. Zu einer Zeit, da Marokkos Kunstkritik noch in den Kinderschuhen steckt beziehungsweise die Künstler selber barfuß gehen, schreibt er schon über Pioniere wie Ahmed Charkaoui und entdeckt Talente wie Khalil El Ghrib. So verwundert es kaum, dass sich Kunst-Events im Dezember 2010, wenige Wochen nach seinem Tod, allenthalben in Hommagen für El Maleh verwandeln, nicht zuletzt die 2. Internationale Biennale Marrakesch.
Deren Gründer, Abderrazak Benchaâbane, spricht vielen Marokkanern aus der Seele, wenn er betont, dass El Maleh ein wertvolles spirituelles Erbe hinterlässt: Treue zu den Wurzeln und der pluralen Identität Marokkos, Werte wie Toleranz und Respekt vor dem Anderssein. "Ich hoffe, meine Generation und die folgenden können seine Flamme weitertragen."
Seinen materiellen Nachlass, Kunstsammlungen und Bücherschätze, hat El Maleh der Nationalbibliothek in Rabat vermacht, die auch Sitz der 2004 gegründeten Fondation Edmond Amran El Maleh ist, einer Stiftung, wie könnte es anders sein, zur Förderung des Dialogs der Religionen und Kulturen.
Seit dem 23. März wird dort sein Nachlass in einer Ausstellung, begleitet von einer Hommage, der marokkanischen Öffentlichkeit präsentiert, als, wenn man so will, postumes Geburtstagsgeschenk – am 30. März 2011 wäre "Hadj Edmond", wie viele Marokkaner ihn liebevoll nennen, 94 Jahre alt geworden.
Regina Keil-Sagawe
© Qantara.de 2011
Redaktion: Lewis Gropp/Arian Fariborz/Qantara.de
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