Der arabische Fluch




Befinden sich unter ihnen doch zwei, die, inzwischen sogar das achtzigste Lebensjahr hinter sich gelassen haben (die Machthaber in Saudi-Arabien und Ägypten), vier weitere sind bereits über 70 Jahre alt (Algerien, Kuwait, Oman und Tunesien). Ein weiterer Regent hat mit seiner über 39jährigen Regierungszeit sämtliche Rekorde – zumindest in der arabischen Welt – gebrochen: Libyens Revolutionsführer Muhammar al-Gaddhafi.
Man könnte denken, dass die arabischen Führer den Ernst der Lage, in der sie sich befinden, nicht einzuschätzen wissen: das Auseinanderfallen ihrer Staaten, die Lähmung des politischen Systems. Warum sonst verfangen sie sich so sehr in ihrem internen "Kalten Krieg"?
Eine Region im internationalen Spannungsfeld
Die US-amerikanische Geostrategie verdankt ihren Impetus vor allem den Angriffen vom 11. September 2001 und der nachfolgenden Kriege gegen Afghanistan und den Irak. Diese Strategie war einer der beiden wichtigsten Pfeiler der amerikanisch-saudischen Achse in der islamischen Welt.
Diese Strategie hätte die arabischen Führer womöglich dazu gebracht, mit ihrer überkommenen politischen Ordnung in der Region zu brechen, wenn keine neue Form des transnationalen, anti-westlichen Widerstandes in der Region (als Folge des Irak-Krieges/Anmerkung der Redaktion) entstanden wäre.
Die Strategie der Klärung zwischen den ehemaligen Schlüsselpartnern aus den Zeiten des Kalten Krieges der USA mit der Sowjetunion, also der islamistischen Bewegung aus dem saudischen, anti-sowjetischen Dunstkreis und ihren amerikanischen Sponsoren, hat sich als besonders zerstörerisch herausgestellt, half sie doch nicht unwesentlich, die Religion zu instrumentalisieren – als Waffe im politischen Kampf.
Erbrepubliken statt Demokratien
Zur gleichen Zeit führte diese Strategie zur Blindheit der US-amerikanischen Außenpolitik, verstärkte die Verwundbarkeit ihrer Nation. Auch führte diese Strategie die Inkompetenz der arabischen Führer und der intellektuellen Eliten vor Augen und ließ nicht zuletzt die brüchige Fassade des politischen Systems erkennen, das sich die arabischen Länder seit ihrer Unabhängigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut hatten.
Und trotz dieses Umbruchs sind bis heute keine größeren Erneuerungen innerhalb des arabischen politischen Systems zu verzeichnen gewesen.
Die Verjüngung der arabischen Führungseliten in den letzten beiden Jahren des 20. Jahrhunderts im Zuge politischer Nachfolgen — Abdullah II. in Jordanien und Mohammed VI. in Marokko, Bashar Assad in Syrien und Hamad Ben-Issa in Bahrain – in Kombination mit einer "Medienexplosion", die die arabischen Ländern in den letzten 25 Jahren erlebt haben, erweckte den Anschein, dass die arabische Welt im Einklang mit der Moderne lebt.
Wenn sie auch nicht schlagartig zur Demokratie gefunden habe, so doch immerhin zu einer modernen und formalen Entsprechung, einer "Demokratie dem Anschein nach", die durch die Informationsgesellschaft befördert wird.
All diese Veränderungen aber sind Illusionen geblieben. Die Dynastie-Linien sicherten einen reibungslosen Übergang der Generationen, im Gegensatz zu den Coup d'états früherer Zeiten. Und doch hat die Verjüngung der Eliten bisher zu keiner Regeneration des Regierungssystems in der arabischen Welt geführt.
Noureddine Jebnoun
© Qantara.de 2008
Übersetzung aus dem Englischen von Daniel Kiecol
Noureddine Jebnoun ist Professor am "Center for Contemporary Arab Studies" an der Georgetown University, Washington D.C.
Qantara.de
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