Märtyrerkult und Provokation
Nach der Präsidentschaftswahl, bei dem Ahmadinedschad Betrug vorgeworfen wurde, gingen viele Menschen für Mussavi auf die Straße. Einige würden getötet. Sie starben als Märtyrer. Die Wände der Galerie hatte ich mit schwarzem Tuch verkleidet, genauso wie wir es auch bei einer Beerdigung tun. Die meisten Märtyrer sterben anonym und ohne Bestattung, darauf wollte ich aufmerksam machen.
Die Islamische Republik huldigt einem Märtyrerkult. Davon ist in Ihren Arbeiten nichts zu finden...
Bakhshi-Moakhar: In Teheran sind die Häuserwände mit überlebensgroßen Märtyrern bemalt, mit bärtigen Kriegern, die inmitten von Tulpenfeldern stehen. Diese Bilder sind nach dem Krieg entstanden. Sie wirken wie Werbung und sind aus diesem Grund interessant für Touristen oder manche Künstler. Aber ich bin mit den echten Bildern vom Krieg aufgewachsen. Ich war zwei Jahre alt, als Khomeini aus dem Exil in den Iran zurückkehrte und die Islamische Republik ausrief. Ich war drei Jahre alt, als der Iran-Irak-Krieg begann. Ich bin mit den Familien aufgewachsen, die ihren Vater verloren haben. Was gibt es da zu verherrlichen?
Versteht denn der iranische Betrachter sofort die kritische Dimension Ihrer Arbeit?
Bakhshi-Moakhar: Ja.
Wie sind Sie darauf gekommen, das Emblem des Iran für Ihre Tulpen-Skulpturen zu nutzen?
Bakhshi-Moakhar: Diese Skulpturen sind nicht ungewöhnlich im Iran. Man findet sie auf öffentlichen Plätzen in jeder Großstadt. Ich reproduziere das Symbol in verschiedenen Materialen. Die Blumen lassen sich als Fortsetzung meiner Arbeiten über Flaggen und Luftverschmutzung verstehen. Denn auch bei den Flaggen geht es um Märtyrer. Es geht um Kriegstote oder die Menschen, die täglich an der Luftverschmutzung im Iran sterben.
Für eine andere Arbeit verwenden Sie die amerikanische Flagge als Fußabtreter...
Bakhshi-Moakhar: In der Islamischen Republik sind vor vielen Ministerien und öffentlichen Gebäuden amerikanische Flaggen auf den Boden gemalt. Wenn man das Gebäude betritt, muss man die amerikanische Fahne mit Füßen treten. Ein Akt der Erniedrigung, zu dem man gezwungen wird. Ich habe darüber im Prinzip einen Witz gemacht. Meine Fußabtreter sehen aus wie persische Handarbeit und könnten gleichzeitig von der Regierung in großem Stil industriell gefertigt werden.
Sie reisen viel für Ihre Ausstellungen. Sie stellen in der Schweiz aus, in Deutschland, Frankreich und England. Inspiriert Sie westliche Kunst und Formensprache?
Bakhshi-Moakhar: Ich liebe minimalistische Kunst. Aber mehr als westliche Künstler beeinflussen mich iranische Gedichte und der Sufismus, die islamische Mystik.
Vor der Präsidentschaftswahl im Iran haben 800 iranische Künstler Unterschriften für den Kandidaten Mussavi gesammelt. Haben Sie ebenfalls für Mussavi gestimmt?
Bakhshi-Moakhar: Ja, klar. Jeder hat für ihn gestimmt. Er ist ein Reformer wie Ex-Präsident Khatami. Seit Ahmadinedschad Präsident ist, müssen wir unsere Arbeiten dem Kulturministerium zeigen, bevor wir sie ausstellen können. Unsere künstlerischen Freiheiten wurden stärker eingeschränkt.
Glauben Sie, dass Sie in der Zukunft Themen auswählen, die sich weniger mit dem Iran beschäftigen?
Bakhshi-Moakhar: Es ist nicht leicht, unabhängig von der aktuellen Situation im Iran Kunst zu machen. Die Stimmung ist angespannt. Das liefert mir viele Ideen für meine Arbeit.
Interview: Carola Hoffmeister
© Qantara.de 2009
Mahmoud Bakhshi-Moakhar, 1977 geboren, lebt und arbeitet in Teheran. Er hat an der dortigen Universität Grafik studiert und Bildende Kunst mit dem Schwerpunkt Skulptur. Gruppenausstellungen machen ihn international bekannt und führen in nach Berlin, Paris, London, Athen und Peking. Die Ausstellung "Magic of Persia Contemporary Art Prize Finalists' Exhibition" in London zeigt vom 13. bis zum 17. Oktober auch Exponate von Bakhshi-Moakhar.
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