"Israel fehlt eine Führungspersönlichkeit"



Für diese Entscheidung braucht man eine sehr starke Regierung, eine starke Führung und einen starken Ministerpräsidenten. All das haben wir in Israel nicht. Olmert ist absolut nicht in der Lage, solch eine Operation durchzuführen.
Shaul Mofas hat bereits gesagt, dass er gar nicht daran denkt, die Siedlungen aufzugeben. Wenn Tzipi Livni an die Macht kommt, wird sie sicher geraume Zeit benötigen, um eine Machtstellung aufzubauen, die ihr solche eine Entscheidung ermöglicht. Ich bin in diesem Fall sehr pessimistisch.
Welche israelische Persönlichkeit könnte solche Friedensgespräche durchführen?
Avnery: Das ist sehr fraglich, denn wir haben momentan keine große Führungspersönlichkeit, die das Charisma und die Macht besitzt, um ein derartiges Friedensabkommen durchzusetzen. Es herrscht ein sehr starker innerer Kampf in Israel. Die Siedler in den Golan-Höhen sind wesentlich populärer als die Siedler im Westjordanland. Ein Abzug aus diesem Gebiet ist eine politische, moralische und psychologische Aktion. Ich kann mir niemanden vorstellen, der so eine Entscheidung in der nahen Zukunft durchsetzen kann.
Welche Hoffnungen haben Sie als Friedensaktivist im Hinblick auf die politische Lage in Israel?
Avnery: Ohne Zweifel müssen wir mehr tun. Das bedeutet auch, dass wir unsere Taktiken und Strategien überdenken müssen. Wir haben eine schwere Aufgabe vor uns, die sicherlich nicht leichter wird. Wenn bei den Wahlen in Amerika Obama gewählt wird, wird sich vielleicht die Einstellung Amerikas verändern. Eine neue amerikanische Politik könnte auch die israelische Regierung ermutigen, mehr für den Frieden zu tun.
Interview: Lina Hoffmann
© DEUTSCHE WELLE 2008
Der israelischer Publizist und Friedensaktivist Uri Avnery engagiert sich seit langem für den Dialog zwischen Arabern und Israelis. Er gehört zur Gründergeneration Israels und kämpfte im Unabhängigkeitskrieg von 1948. Als Herausgeber der Wochenzeitung "Haolam Hazeh" (Diese Welt), als Abgeordneter der Knesset und als Gründer der Friedensorganisation "Gush Shalom" (Friedensblock) setzt er sich seit über 50 Jahren für einen palästinensischen Staat ein. Gemeinsam mit seiner Frau Rahel erhielt Avnery 2001 den Alternativen Friedensnobelpreis.
Qantara.de
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