Die andere Wahrheit – Nahostkonflikt in Bildern




Schon allein hieran spürt man nicht nur Saccos zeichnerisches Talent, sondern auch seine Leidenschaft, die er für die Menschen und ihre persönlichen Biografien entwickelt. Sich selbst hat Sacco als Hauptfigur ironisch verewigt: ein unscheinbarer junger, dürrer Mann mit dicken Brillengläsern und schwarzen Stoppelhaaren, der durch die Geschichten und Orte streift und eher zufällig in die Begebenheiten und Konflikte hineinstolpert.
"Comic Journalism" - ein ernstzunehmendes Medium
Sacco ist einer der ersten, aber nicht der einzige, der mittels eines Comics reale, politische Themen auffängt und auf faszinierende und packende Weise wiedergibt. Der Amerikaner Art Spiegelmann bekam für seine Comic-Reihe "Maus" bereits Anfang der 90er Jahre den Pulitzer Preis.
Die Exil-Iranerin Marjane Satrapi gab jüngst in ihrem Comic "Persepolis" eine sehr persönliche Darstellung ihrer Kindheit im Iran wieder und somit endlich einen anschaulichen Zugang zu den politischen Entwicklungen im Iran vor und nach der Revolution von 1979. Manche sprechen in diesem Zusammenhang schon von einem neuen Genre, dem so genannten "Comic-Journalismus".
Comics hatte Sacco schon als Kind gezeichnet, doch die Erkenntnis, dass er seinen späteren Beruf als Journalist gleichzeitig mit seiner Leidenschaft fürs Zeichnen verbinden könnte, kam dann zufällig. Sacco studierte Journalismus und habe sich danach - so Sacco in einem Interview - "zweieinhalb Jahre lang in einer Redaktion einer Zeitschrift für Notare gelangweilt."
Bemerkenswerte Gegenpole
In einer Medien gesättigten Welt, in ihrer manchmal grotesken Überzeichnung sei Saccos Comic "Palästina" ein bemerkenswerter Gegenpol, schreibt der Schriftsteller Edward W. Said im Vorwort für die deutsche Gesamtausgabe. Sacco sei einer, der Partei für die Benachteiligten ergreife und seine gezeichneten Geschichten belegen das, was andere Zeitzeuginnen wie Amira Hass vor ihm geschrieben haben.
Ein Werk, so Said, "von künstlerischer und politischer Bedeutung und außergewöhnlicher Kreativität." Es waren schließlich auch Edward Saids Schriften über Palästina, die Sacco zu seinem Rechercheprojekt inspirierten, ohne dass dieser ahnen konnte, dass ihn der renommierte palästinensische Schriftsteller einmal ein ausführliches Vorwort zu dem fertigen Band schreiben würde.
1996 bekam Joe Sacco für seine Comicreportagen den "American Book Award". Aktuell sind Saccos Zeichnungen, auch unter der Zweiten Intifada, denn in Israel und Palästina hat sich an den Schicksalen der Menschen, die unter der Gewalt leiden, nichts geändert.
Petra Tabeling © Qantara.de 2004
Joe Sacco: Palästina. Eine Comic-Reportage. Aus dem Englischen von Waltraud Götting. Verlag Zweitausendeins, Frankfurt 2004.