Ein streitbarer Versöhner zwischen Ost und West



Die Wahrheit ist, dass er den Großteil seiner 64 Lebensjahre damit verbrachte, Europa und den Nahen Osten einander näher zu bringen, sei es mit Hilfe seiner Bücher oder seiner Vorlesungen. Dabei schreckte er nicht vor kontroversen Ansichten zurück. Jedem erhellenden Wort, das er schrieb, folgte immer eine Aussage, der man leidenschaftlich widersprechen wollte.
Seine bekanntesten Gedanken bezogen sich auf militärische Interventionen an den Grenzen Europas: Er war mit dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan einverstanden, ebenso wie mit den Nato-Einsätzen in Bosnien und Kosovo sowie dem ersten Golfkrieg gegen Saddam Hussein.
Versöhnung Europas mit dem Islam
Professor Halliday hatte Zeit für jeden, den er traf - seien es Bewunderer, Kritiker oder verwandte Seelen. Das sagt mehr über ihn aus als unzählige Zusammenfassungen seiner Essays.
Bevor ich mein Masterstudium begann, arbeitete ich für ein Projekt in Barcelona, das sich mit der Versöhnung Europas mit dem Islam, mit europäischen Muslimen und der Entwicklung gegenseitigen Verständnisses beschäftigte. Das Konzept des Projekts entsprach genau der Idee, nach der Halliday jahrzehntelang strebte.
Als ich ihn das erste Mal im Rahmen des Projekts in der Lobby des Palau Baró de Quadras im Januar 2006 in Barcelona traf, war es dunkel und regnete. Mir fiel auf, wie sehr seine Gestalt seinen Geist, seinen Intellekt und seine Berühmtheit widerspiegelte. Über Iran sprach er in perfektem Persisch. Seine Rede setzte er in tadellosem Spanisch fort, während die anderen Gäste sich eines Übersetzers bedienten.
Er redete darüber, dass der Westen den Nahen Osten nie richtig verstand - eine Region, deren Verständnis er selbst sein Leben widmete und dieses auch seinen Studenten weiter vermitteln wollte.
Das nächste Mal traf ich ihn auf einer Konferenz als Leiter einer Delegation liberaler Iraner aus Paris, die nach der Revolution ins Exil gegangen waren. Es war beeindruckend zu beobachten, wie diese Menschen nur noch Ohren für ihren alten Kameraden hatten, unter ihnen auch europäisch-iranische Wissenschaftler, die sich selbst bereits einen Namen gemacht hatten.
Eine international-politische Zukunft ohne Fred Halliday
Neben seiner Leidenschaft für den Iran war Fred ein Liebhaber Barcelonas. Als er seinen Hauptwohnsitz in die katalanische Hauptstadt verlegte, überraschte es niemanden, dass er Katalan mühelos zu seinen bereits fließenden Sprachkenntnissen in Arabisch, Persisch, Spanisch, Russisch, Portugiesisch, Italienisch, Französisch und Deutsch hinzufügte.
Meine schönste Erinnerung an Fred Halliday ist die Feier seines sechzigsten Geburtstags in seinem argentinischen Lieblingssteakhouse. Auf ideale Weise verbanden wir die Kulturen Europas und des Nahen Ostens - wir genossen ausgiebig das Essen, tranken Rosado (einen spanischen Roséwein), tanzten zu den Klängen der Gruppe Alabina und diskutierten über Politik.
In den letzten Jahren blieben wir in regem Kontakt, doch unsere Wege kreuzten sich nicht noch einmal. Als ich auf mein letztes Schreiben eine merkwürdige Abwesenheitsnotiz als Antwort erhielt, war mir klar, dass etwas nicht stimmte. Ein paar Wochen später erfuhr ich von seinem Tod in Barcelona - in der Stadt, die er so liebte.
Sein Tod ist eine Tragödie für die Welt der Internationalen Politik. Freunde und Bewunderer werden sich fragen, was er dazu sagen würde, dass Iran eine Atomwaffe baut, die Tories die Macht in Großbritannien übernehmen, Jemen zum gescheiterten Staat erklärt wird oder die Euroskeptiker Spanien als das neue Griechenland bezeichnen.
Ohne Zweifel hätte Fred einen perfekt formulierten, tiefgründigen und deutlichen Kommentar dazu abgegeben, der unweigerlich sowohl zu Bewunderung als auch empörten Reaktionen geführt hätte.
Auch wenn es wie ein Klischee klingt, muss es doch gesagt werden: Fred war und bleibt eine Inspiration. Ein fesselnder Redner, wie es nur wenige sind, so charmant wie ein wahrer Ire nur sein kann und so unbeirrt, wie es von einem hervorragenden Experten seines Fachs zu erwarten ist.
Metsa Rahimi
© Cafebabel.com 2010
Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de
Qantara.de
Islamisten und die politische Linke
Fragwürdige Allianzen
Nachdem Islamisten jahrzehntelang die politische Linke in der islamischen Welt zum Hauptfeind erklärt hatten, entdecken sie in jüngster Zeit ideologische Gemeinsamkeiten im Kampf gegen Kapitalismus und westlichem Imperialismus, schreibt Fred Halliday.
Demokratische Reformen in der arabischen Welt
Illusion und Realität
Der jüngste Arabische Bericht über die menschliche Entwicklung (AHDR) wirft ein Schlaglicht auf die tiefen sozialen Probleme in der arabischen Welt und stärkt das Bewusstsein unter den Arabern dafür, einen wie weiten Weg sie noch vor sich haben hin zu demokratischen Freiheiten, meint Fred Halliday
Nachruf Abdurrahman Wahid
Indonesien verliert seinen blinden Seher
Abdurrahman Wahid ist im Alter von 69 Jahren in Jakarta gestorben. Er war der erste demokratisch gewählte Präsident nach der Suharto-Diktatur, der sich für den interreligiösen Dialog und einen friedlichen Islam einsetzte. Ein Nachruf von Armin Wertz