"Denn die meisten von Euch sind Brennholz der Hölle"


"In Medina gab es eine Frau, die beschnitt. Der Prophet, Gott segne ihn und spende ihm Heil, sprach zu ihr: 'Beschneide nicht viel! Das ist zum Vorteil der Frau und ist für den Mann anziehend.'
Der Gesandte Gottes meinte mit seiner Rede 'Beschneide nicht viel', dass man vom Geschlecht der Frau nur so viel abschneide, dass es ihr zu einem Grad der Mäßigung verhelfe, denn wenn die Begierde gänzlich abnimmt, versiegt auch der Genuss. Solches aber führt zur Verminderung der Liebe zwischen den Eheleuten, die bekanntermaßen eine Fessel ist, welche von Unzucht abhält."
Ein genauer Blick auf von al-Djauzi als Beweis angeführten Prophetenhadithe erweist nun, dass diese unter den meisten Rechtsgelehrten als nicht autoritativ gelten. Sogar die Vertreter von al-Djauzis eigener Rechtschule, die konservativen Hanbaliten, lehnen die Frauenbeschneidung ab.
Genau hier müsste eine Kritik an den Beschneidungspraktiken ansetzen. Die Herausgeberin schreibt:
"Die Interpretationshoheit al-Djauzis wird in den traditionalistischen Kreisen nicht angezweifelt, da die im Text niedergelegten kulturellen Gedächtnisinhalte dem Text und seinem Autor eine sakrosankte Aura verleihen. Die feministischen Forscherinnen und Forscher vergeben die große Möglichkeit, (…) auf die menschliche Konzeption von gelenkter Erinnerung in den 'Weisungen für Frauen' aufmerksam zu machen. Auch [der Text von al-Djauzi] bildet eine subversive Kraft aus, die der autoritativen Erinnerung und Erinnerungsarbeit entgegensteht und die es zu entdecken gilt."
Kritische Sichtung der Quellen
Einfach gesagt: Man soll die Quellen des reaktionären Islams nicht den Islamisten überlassen. Zur Verwirklichung dieses ambitionierten Programms könnte die deutsche Edition des "Buchs der Weisungen für Frauen" einen Baustein liefern.
Dass es genau deshalb keine erfreuliche Lektüre ist und besonders die unvorbereiteten Leserinnen und Leser eher erbosen denn erbauen wird, kann dem Verlag und der Herausgeberin nicht angelastet werden.
Zu fragen bleibt jedoch, ob die angestrebte Dekonstruktion des traditionellen islamischen Frauenbildes in Form eines schwungvollen Essays nicht überzeugender und leserfreundlicher verwirklicht worden wäre.
Und schließlich, ob es nicht grundsätzlich sinnvoller wäre, eher diejenigen islamischen Texte vorzustellen, denen auch heutige Leser etwas abgewinnen können, als diejenigen, die berechtigterweise zunächst eine Abwehrreaktion hervorrufen.
Stefan Weidner
© Qantara.de 2009
Ibn al-Djauzi: "Buch der Weisungen für Frauen" (Kitab Ahkam an-nisa). Aus dem Arabischen übersetzt und herausgegeben von Hannelies Koloska. Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag, Frankfurt 2009. 324 S., 26 Euro
Qantara.de
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