Neue Allianz für den Dialog der Kulturen
Aufgrund von früheren internationalen Konferenzen sowie persönlichen Beziehungen kommt den Regierungen Spaniens und der Türkei das Verdienst zu, das erste bzw. zweite internationale Forum der AoC in Madrid 2008 bzw. in Istanbul 2009 ausgerichtet zu haben.
Das jüngste zweite Forum brachte mehr als 1000 Teilnehmende zusammen – darunter mehrere Regierungschefs, mehr als 50 Minister sowie Politiker, Vertreter internationaler Organisationen, Stiftungen, der Medien und Vertreter von Basisgruppen aus der ganzen Welt.
Während das Forum in Madrid auf die Vorbereitung der vielfältigen Aktivitäten und die Koordination mit Regierungen, Stiftungen und Expert/-innen konzentriert war, zielte das Forum in Istanbul deutlich auf eine schärfere Identität und innovative Projekte ab, die teilweise ausgefallene Ansätze und Methoden darstellen.
Ein neues Projekt namens "Dialogue Café" mag hier als Beispiel dienen: Es verbindet die Kommunikationsbereitschaft von Menschen in Cafés mit den Möglichkeiten einer Telekonferenz. Lebensgroße Bilder werden live über Bildschirme übertragen, die so den Eindruck eines direkten Gesprächs vermitteln. Durch diese Art von spontaner Interaktion finden interkulturelle Debatten statt, als ob die Beteiligten gleichzeitig im selben Café säßen, wobei persönliche Fragen zwischen Menschen aus verschiedensten Weltgegenden diskutiert werden.
An den beiden Tagen des Forums in Istanbul fanden neben den offiziellen Ansprachen drei Plenarversammlungen, 12 Arbeitssitzungen und 16 Arbeitsfrühstücke statt.
Frauen unterrepräsentiert
Aber selbst bei diesem anspruchsvollen Programm blieb eine wichtige Ressource ungenutzt: Obwohl eine Arbeitssitzung dem Thema "Empowerment of women und their role in a culture of peace" gewidmet war, sprachen die wenigen weiblichen Experten vor einem zahlenmäßig unbedeutenden Publikum in einem ziemlich kleinen Raum, und auf das Podium der Plenarversammlungen waren neben vielen männlichen Persönlichkeiten lediglich zwei Rednerinnen eingeladen worden.
Im Hinblick auf die zentrale Rolle von Frauen in Erziehung, Fürsorge oder in der Nachbarschaftsarbeit in allen Gesellschaften hätte die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern auch hier berücksichtigt werden sollen.
Herausforderungen für die Zukunft
Die AoC möchte einen signifikanten Beitrag leisten, um die Zusammenarbeit zwischen Kulturen und Religionen zu verbessern und damit den Kräften entgegen zu wirken, die Polarisierung und Extremismus schüren. Die AoC ist sich der Verantwortung bewusst, die Rollenteilung mit den zahlreichen anderen Initiativen zu respektieren, die schon länger auf dem Gebiet des interkulturellen Dialogs zwischen dem Westen sowie der islamischen Welt arbeiten.
Des Weiteren stellen sich grundlegende Herausforderungen für die Zukunft dieser Organisation. Die erste betrifft das Kosten/Leistungsverhältnis ihrer Aktivitäten: Nachdem die finanziellen Beiträge zum Trust Fund der AoC auf freiwilliger Basis beruhen und sie somit beträchtliche Anstrengungen für ihre Finanzierung unternehmen muss, wird sie stets das Verhältnis zwischen Betriebskosten und Ergebnissen zu rechtfertigen haben.
Einerseits ist die AoC bereits sehr erfolgreich, indem sie große öffentliche Unterstützung bei ihren Mitgliedern und Partnern gefunden hat, z.B. für Medienaktivitäten, für einen "Youth Solidarity Fund" oder für "Silatech”, eine neue Beschäftigungsinitiative für junge Leute in der arabischen Welt. Anderseits erfordern internationale Konferenzen wie in Madrid oder Istanbul beträchtliche Budgets, die zumindest teilweise auch vielen kleinen Projekten zugute kommen könnten.
Tief greifende politische Konflikte und Machtkämpfe
In ihrem Ziel, möglichst viele junge Leute, Bildungspraktiker/-innen, Meinungsführer oder Medienangehörige zu erreichen, sind die AoC und ihre Partner weiterhin mit dem Problem konfrontiert, nicht nur Menschen mit einer offenen Einstellung zum interkulturellen Dialog und zur Toleranz ansprechen zu müssen.
Den Frustrationen von Menschen, die Polarisierung und Extremismus hervorrufen können, liegen jedoch oft tief greifende politische Konflikte und Machtkämpfe zugrunde. Auch sind weit verbreitete Vorstellungen über nationale, ethnische oder religiöse Zugehörigkeit und traditionelle Erziehungssysteme oft auf Vorstellungen von Überlegenheit begründet, die nicht mit den allgemeinen Menschenrechten vereinbar sind.
Solange wir jedoch die wirklichen Wurzeln von Konflikten und Unrecht nicht beseitigen können, sollten wir alle verfügbaren Kräfte zur Stärkung der Menschenrechte versammeln, wie die AoC es sich zur Aufgabe gemacht hat.
Manfred Ewel
© Qantara.de 2009
Qantara.de
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