Integration mal andersherum
 
         
               
               
               
Sanft erklingt die Musik von "Tan" (zu Deusch: Morgendämmerung) aus Düsseldorf. Auf ihrer CD Yar diye diye – Longing for you harmoniert Jazz mit Titeln wie Beri gel, der von Sehnsucht und Sorge eines ostanatolischen Dorfs handelt, oder Ben yana, einem Gedicht von Pir Sultan Abdal, dem türkisch-alevitischen Dichter aus dem 16. Jahrhundert, das heute als mystisches Lied bekannt ist.
Das Ganze begleiten virtuose Musiker auf ihren Instrumenten – Saxophon, Kontrabass, E-Piano, die türkische Trommel Darbuka und die Kurzhalslaute Ud. Resultat: ethno-jazzige Versionen von legendären Volksliedern.
Die Lieder, sie müssen von ganzem Herzen kommen, singt Ergün Aktoprak. Doch auch der deutsche Background mit Jürgen Dahmen und Reiner Witzel meistert die Aufgabe mit Bravour.
Integration mal andersherum. "Unsere Musik verstehen wir gleichzeitig als Kommunikationsmedium. Genau wie niveauvolle Gedichte nicht platt übersetzt, sondern nachgedichtet werden, möchten wir auch die türkische oder anatolische Musik "nachdichten" und sie mit einer modernen Auffassung so rüberbringen, dass sie jenseits von Bellydance-Klischees auf einer bestimmten kulturellen Ebene, passend zu unserem Konzept und anspruchsvollem Zielhörerkreis, wahrgenommen und verstanden wird", so Ergün Aktoprak.
Musik für eine weltoffene Community
Was als Experiment begann, kann sich in der globalisierten Welt sehen lassen. Abseits des Mainstreams betreiben diese Künstler ihre Musik professionell. Mit drei eigenen Alben und vertreten auf vielen Compilations und Soundtracks verkörpern Orientation den multikulturellen Schmelztiegel von Berlin.
"Cazyapjazz" spielen zwischen Isar und Bosporus auf großen Festivals. Zwei von ihnen – "Kaiser&Semih" – touren erfolgreich durch die Münchener und Istanbuler Jazzszene.
"Tan" setzen live auch auf DJ-Performance. Hudey, ein Lied, das seit Jahrhunderten nur vom Saiteninstrument Saz begleitet wird, übertrifft, gemixt mit Scratches an den Plattentellern, alle Erwartungen. Sie alle wollen weltoffene Menschen erreichen, die neugierig sind auf das, was deutsche und türkische Musiker gemeinsam zum Ausdruck bringen. Musik ohne Vorurteile.
"Tagespolitische Themen greifen wir nicht auf", so Advocado. "Unsere Sprache ist die Musik, unsere Texte handeln von der Liebe, von der Familie, der Einsamkeit." Ergün Aktoprak und Jürgen Dahmen sind auch beim Projekt Jazzpool NRW, das die besten improvisierenden Musiker des Landes zusammenführt, mit der Gruppe Yan Yana (türk.: Seite an Seite) dabei.
Kunst von Migranten kann Verständigungsbrücken schlagen, beteiligen sich auch Deutsche daran, öffnen sich Horizonte. Der Begriff Integration wird unterschiedlich interpretiert, aber wenn Integration als Prozess verstanden wird, bei dem alle gemeinsam unterwegs sind, befinden sich diese interkulturellen Musikprojekte auf dem richtigen Weg.
Ayla Yildiz
© Goethe-Institut 2009
Qantara.de
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