Ein Refugium der Spiritualität und des Dialogs

Wer das Kloster Deir Mar Mussa in der Abgeschiedenheit der Berglandschaft besuchen will, muss viel Geduld und gute Kondition mitbringen. Fast zwei Kilometer hoch schlängelt sich der schmale steinige Pfad zum Kloster.
Steinerne Oase der Stille

Einen Steinwurf von dem festungsartigen Hauptgebäude entfernt befinden sich noch die Unterkünfte für die Bewohner des Mosesklosters – sieben Mönche und vier Nonnen. Auf dem benachbarten Berghang wurden jüngst die Gästezimmer fertig gestellt – eine Art Bed & Breakfast für Pilger und spirituelle Glaubenssucher inmitten der steinernen Oase der Stille. In der Klosterkirche führt Bruder Frederique eine französische Besuchergruppe durch das altehrwürdige Gebäude.
Der Grundstein für Deir Mar Musa wurde bereits vor 1.500 Jahren gelegt, als sich der Heilige Moses von Abessinien hier hinbegab, um ein asketisches Leben zu führen. Bau und Besiedelung Deir Mar Musas erfolgten jedoch erst viel später, im 6. Jahrhundert.
Gastfreundschaft und Dialog

Toleranz und Suche nach Gemeinsamkeit im Glauben
Die Mehrzahl der Besucher des Klosters seien Muslime aus der Region, schildert der Mönch. Dies eröffne der Gemeinde die Gelegenheit, mit ihnen zu leben, ihre Erfahrungen zu teilen und auch für sie zu beten. Dass Muslime das Kloster nicht nur häufig besuchen, sondern regelmäßig dort auch beten, macht den Ort einzigartig in der islamischen Welt und unterstreicht das Verständnis von gegenseitiger Toleranz sowie der Suche nach Gemeinsamkeit im Glauben, meint Frederique.

Aber damit nicht genug: Jedes Jahr organisiert die kleine Gemeinde interreligiöse Begegnungen, Konferenzen wohin christliche und muslimische Würdenträger eingeladen. "Dann behandeln wir ein bestimmtes religiöses Thema und diskutieren darüber", berichtet Frederique. "Jedes Jahr machen wir die Erfahrung, dass sich dieser Dialog auf hohem intellektuellen Niveau immer positiver entwickelt."
Verbunden mit der arabischen Welt
Dass die kleine Klostergemeinde, die unter der Schirmherrschaft der syrisch-katholischen Kirche steht, einmal über die Landesgrenzen hinweg den Ruf erwerben sollte, Ort der gelebten Religionsfreiheit zu sein, ist vor allem einer Person zu verdanken: dem italienischen Jesuitenpater Paolo dall'Oglio. Zu Beginn der 1980er Jahre entdeckte er das zerfallene Moses-Kloster und baute es wenig später auf. Vater Paolo, wie er auch genannt wird, studierte Arabisch und Philosophie im Nahen Osten, heute hält er Vorlesungen und gibt Seminare an islamischen Hochschulen in Syrien und in der gesamten arabischen Welt.
Von seinen muslimischen Freunden und Kollegen wird er deswegen sehr geschätzt und häufig in seinem Kloster besucht. "Ich bin glücklich, dass so viele Muslime in das Kloster kommen, weil es auch einen Teil der symbolischen Welt der islamischen Religion darstellt", meint Paolo dall'Oglio und fügt rasch hinzu: "Dieses symbolisch-islamische System erkennt dieses Kloster als heiligen Ort an – deshalb kommen die Muslime auch hier her. Sie besuchen nicht den Ort der 'anderen', sondern einen Ort, der zu ihnen gehört."
Arian Fariborz
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