Die Pieta des Elften Septembers




Touma arbeitet seit zehn Jahren auf internationaler Ebene, ist mit Künstlern in aller Welt vernetzt. Mehrfach hat die Regierung ihm signalisiert, dass er damit die Grenzen des Zulässigen überschreitet. Einmal wurde seine Galerie monatelang geschlossen.
"Ich arbeite nicht mit ihnen zusammen, und das wissen sie", sagt er und zuckt müde die Schultern. Doch entmutigen ließ er sich nicht. Stattdessen hängt er die Fotos nun in Wechselschichten in seiner kleinen Galerie auf.
Pose der Pieta
Das Thema "Begegnung mit dem Nahen Osten" ist eher Lesehilfe für die Betrachter statt Arbeitsvorgabe für die Fotografen.
Einige Künstler, etwa Rini Hurkmans, arbeiten auf derart abstraktem Niveau, dass die Dimension des Nahen Ostens erst in den Hirnwindungen des Betrachters Form annimmt: In ihren Selbstporträts nimmt die Holländerin auf die weltweiten Konflikte Bezug.
Stets sitzt sie auf einer Empore und hält einen menschenförmigen Gegenstand in den Armen. Es ist die Pose der Pieta, erklärt sie, die Mutter Maria, die ihren toten Sohn hält: "Dieses Symbol ist weit mehr als nur katholisch, Variationen sind auf der ganzen Welt zu sehen, denn überall verlieren Mütter Söhne."
Einmal sitzt sie in Manhattan und hält eine unschuldig weiße Puppe. Die stille Trauer, der sinnlose Verlust und ein New York, das trotzdem seinem Alltag nachgeht: 9/11 ist nicht direkt zitiert, die Assoziationen liegen dennoch über diesem Bild.
Keine 1001-Nacht-Sentimentalität
Nur in beschaulicher 1001-Nacht-Sentimentalität ergeht sich keiner der Künstler, auch nicht auf den Bildern, die im Orient entstanden sind. Der Syrer Pedros Temizian etwa zeigt eine düstere Großstadtwelt, ein Syrien der nackten Nutzbauten und des urbanen Verfalls, voll fleckiger Betongebirge, in denen wohl Menschen wohnen. Sicher ist man sich da nicht mehr.
So ermöglicht die Ausstellung eine Begegnung im besten Sinne, bei der beide Seiten zwar eigenständig bleiben, aber im Vergleich eine neue Sicht eröffnen – und zwar auf das Andere ebenso wie auf das Eigene.
Auf einem Bild des Amerikaners Vance Jacobs posiert ein bizarr aufgerüschtes kleines Mädchen mit totgeschminktem Gesicht für eine Kinder-Misswahl, auf den Fotos der Libanesin Rania Matar legt sich ein wenig älteres Kind in der Pose hingebungsvoller Sorgfalt den Hidschab um den Kopf.
Welche Kultur ihren Mädchen die Eingewöhnung in die Gesellschaft leichter macht, muss der Betrachter entscheiden. Die Sicherheit gängiger Klischees jedenfalls beginnt zu wanken.
Rund 40 Fotografen sind zur Eröffnung gekommen. Am zweiten Abend empfing der syrische Großmufti Ahmed Hassoun die Gruppe.
"Sie bringen Nachrichten von Ort zu Ort, manchmal sind es Nachrichten von Schönheit und Glück, manchmal von Trauer und Unterdrückung", sagte Hassoun, sprach danach von Toleranz und davon, dass Christentum, Judentum und Islam gleichwertige Wege zu Gott sind.
Die Gäste zeigten sich tief beeindruckt von der weltoffenen Tradition des Islam im "Schurkenstaat" Syrien.
Gabriele Keller
© Qantara.de 2006
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In Damaskus wurden jetzt zwei Ausstellungen eröffnet, darunter das Kunstprojekt "PaperRoads" des Hannoveraners Wolfgang Tiemann, der seine Werke bereits an mehreren Stationen der alten Seidenstraße ausgestellt hat und der den Weg des Papiers von China über Arabien bis nach Europa nachzeichnet. Gleichzeitig zeigt das Goethe-Institut eine regimekritische Ausstellung eines oppositionellen Künstlers. Von Werner Bloch