Der richtige Umgang
Je näher der Einsatz rückt, desto detaillierter wird die Wissensvermittlung. Spezifisch landeskundliche Informationen bekommen Soldaten in Einsatz vorbereitenden Kursen. Weitere Angebote macht die Hochschule der Bundeswehr in Hamburg.
Studenten und angehende Offiziere können "interkulturelle Kommunikation" bei Latifa Kühn, einer deutschen Muslimin afghanischer Herkunft, belegen. Die Kursinhalte sind vielfältig: Basiswissen der Soziologie und Psychologie ("Ist Angst ein universelles Gefühl?"), Grundkenntnisse über den Islam, Mentalität und Sozialstruktur der Bevölkerung.
Die Wissensvermittlung erfolgt auch praktisch: Bei einer Exkursion ins afghanische Museum können Studenten unter anderem einen muslimischen Gebetsteppich begutachten und werden mit der religiösen Praxis des Islam vertraut gemacht. Solche "sinnlichen Lektionen" finden besonders Seminarteilnehmer deutscher Herkunft erhellend. Beweisen sie doch, dass "Muslime vielfältiger sind, als manche Politiker oder Medien vermuten lassen", sagt einer.
Psychischer Spagat
An alldem lässt sich das Ausmaß des psychischen Spagats erahnen, den Soldaten in ihrer Ausbildung und im Auslandseinsatz machen. Einerseits wird ihre kulturelle Sensibilität trainiert, andererseits ihre Fertigkeit im Umgang mit der Waffe.
"Das ist die Herausforderung heutiger Einsätze", sagt Elmar Wiesendahl, Professor und Leiter des Fachbereichs für Sozialwissenschaften an der Führungsakademie, der höchsten Ausbildungseinrichtung der Bundeswehr, an der Staatsoffiziere, also auch zukünftige Generäle, ausgebildet werden. Soldaten müssten sich kontrollieren und eine "gewisse Robustheit zeigen", erläutert Wiesendahl. "Mit reinem Hegemonialverhalten kann der Einsatz nur scheitern."
Die Gratwanderung zwischen Empathie auf der einen sowie Kampfbereitschaft auf der anderen Seite manifestiert sich auch in der Wahl der Mittel in Krisenregionen. Wenn Fronten nicht mehr aus Nationalität, Kultur oder Religion bestehen, sondern aus Extremismus und Radikalismus, kann niemand mehr Freund und Feind auf den ersten Blick ausmachen.
Lernen aus Auslandseinsätzen
An der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg diskutieren Seminarteilnehmer militärische und sicherheitspolitische Fragen. Im Schnitt werden täglich 500 Stabsoffiziere aus- und fortgebildet, davon 100 ausländische Militärvertreter, auch aus islamischen Ländern.
Vor einigen Jahren hätte das niemand mit "interkulturellem Dialog" betitelt, ohne Heiterkeitsausbrüche zu ernten. Heute löst es nicht mal ein Schmunzeln aus. Das Umdenken ist Bestandteil des Transformationsprozesses von der Übungs- zur Einsatzarmee. Diese sammelt im Ausland plötzlich ganz konkrete, praktische Erfahrungen, aus denen die Bundeswehr ihre Schlüsse gezogen hat. Dementsprechend wird an der Führungsakademie ein Curriculum für interkulturelle Kompetenz entwickelt.
Die Generalstabslehrgänge sind zum Teil international besetzt. Der interkulturelle Lehrstoff fließt ein in Seminare für Führungskräfte oder steht im Zentrum eines Lehrgangs, der Gewalt und ihre spezifischen Ausprägungen in Kulturen dieser Welt beleuchtet: von den Maoris bis zur deutschen Kriegsheldenverehrung samt Folgen.
Militärbündnis auf Basis des interkulturellen Dialogs
Faktisch basiert auch jedes Militärbündnis auf interkulturellem Dialog. Im ISAF-Einsatz in Afghanistan sind 37 Nationen mit mehr als 40.000 Soldaten aktiv. Wer weiß schon, wie viele Missverständnisse es gibt? Wie viel Verwunderung der Anblick einer deutschen Soldatin bei Bündnispartnern auslöst, einem Aserbaidschaner zum Beispiel?
Es ist zu vermuten, dass auch in der NATO über Mentalitäten debattiert wird. Warum das Führungsverhalten deutscher Militärs anders ist, als das der Engländer oder Franzosen. Bei den Deutschen müsse man wegen jeder Kleinigkeit Rückmeldung geben, heißt es. Oder: Ein Deutscher gebe das Ziel vor, lasse den Weg aber offen. Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis auch die NATO Kurse zum "Diversity Management" einführt.
Ute Hempelmann
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Ute Hempelmann, geboren 1963, lebt als Autorin in Hamburg. Sie arbeitet für ARD-Hörfunksender und schreibt für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften.
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