Zuwanderungsgesetz als "Integrationsverhinderungsgesetz"



Um den internationalen Imageschaden abzuwenden, traf die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1993 eine Regelung für die so genannte Anspruchseinbürgerung. Der Architekt dieser Regelung war der damalige und heutige Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble.
Der überwiegende Teil der deutschen Politik hat diese widerwillig und nur taktisch getroffene Regelung nie wirklich akzeptiert. Daher wurde der Versuch unternommen, die Anspruchseinbürgerung mit hohen Hürden zu versehen bzw. faktisch zu verhindern (z.B. durch qualifizierte Sprachkenntnisse sowie im aktuellen Gesetzesentwurf durch Sprachprüfungen mit Deutsch-Zertifikaten oder etwa durch Gesinnungstests).
Lediglich zwei wichtige Ausnahmen von diesen stetigen Verschärfungen gibt es: die so genannte Kinderstaatsangehörigkeit und die Herabsetzung der erforderlichen rechtmäßigen Aufenthaltszeiten, die beide von der ehemaligen rot-grünen Regierung durchgesetzt wurden.
Unklare Rechtsbegriffe
Sobald ein unbestimmter Rechtsbegriff von der Rechtsprechung konkretisiert oder zugunsten der Betroffenen ausgelegt wird (z.B. "ausreichende Sprachkenntnisse"), findet der Gesetzgeber womöglich einen anderen unbestimmten Begriff, mit dem er den Einbürgerungsbehörden ein Verweigerungsinstrument in die Hand gibt:
Der Gesetzgeber versucht nun, Kenntnisse der "Lebensverhältnisse" als Einbürgerungsvoraussetzung zu erheben. Doch was genau ist mit "Lebensverhältnissen" gemeint?
Die Verschärfungen der Einbürgerungsvoraussetzungen für Jugendliche führen im Ergebnis zur vollständigen, faktischen Abschaffung der Anspruchseinbürgerung. Doch Einbürgerung muss erleichtert und nicht verschärft werden.
Schon jetzt sind die Einbürgerungszahlen in Deutschland rückläufig. Und nun wird bei denjenigen angesetzt, die in den Bereichen Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarkt am meisten benachteiligt sind: junge Menschen unter 23 Jahren.
Ihnen die Einbürgerung zu verweigern, wenn sie sich weder in der Ausbildung befinden noch ihren Lebensunterhalt selbst sichern können, bedeutet einen integrationspolitischen Faustschlag.
Migranten als gläserne Menschen
Die erweiterten Zugriffsrechte auf das Ausländerzentralregister und die Erweiterung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen ist ein gefährlicher Eingriff in das durch das Grundgesetz garantierte informationelle Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen.
Sicherheitsaspekte sind kein Argument für weitere Restriktionen. Demokratie kann man nicht schützen, indem man ihre freiheitlichen Grundrechte Schritt für Schritt demontiert. Vielmehr ist die rechtsstaatliche und freiheitlich-demokratische Grundordnung das beste Mittel zur Bekämpfung von Terrorismus.
Auch die abgespeckte Bleiberechtsregelung stellt keine wirkliche Lösung für die Mehrheit der in Deutschland lebenden Flüchtlinge dar. Die vielen Ausschlussgründe werden künftig dafür sorgen, dass nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge davon profitieren kann. Kettenduldungen werden in Deutschland daher auch in Zukunft an der Tagesordnung bleiben.
Mit der Verschärfung des Zuwanderungsgesetzes steht die politische Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland auf dem Spiel. Statt Integration zu fördern, hält nun wieder der "alte Abwehrgeist" des Ausländerrechts Einzug in das Zuwanderungsrecht.
Memet Kilic
© Qantara.de 2007
Der Autor ist Mitbegründer und Vorsitzender des Bundesausländerbeirates und Rechtsanwalt in Heidelberg. Er sitzt außerdem für die Grünen im Heidelberger Gemeinderat.
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Kritik an Zuwanderungsgesetz
DITIB droht mit Ausstieg aus Integrationsgipfel
Die "Türkisch-Islamische Union" (DITIB), größter muslimischer Verband in Deutschland und Ansprechpartner bei dem von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Integrationsgipfel ist enttäuscht und verärgert über die geplante Verschärfung des Zuwanderungsgesetzes. Einzelheiten von Peter Philipp
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Das Streben nach Anerkennung wird die Muslime hierzulande mehr verändern als die deutsche Gesellschaft. Doch auch den Alteingesessenen kann das Leben mit einer irritierenden religiösen Vielfalt nicht erspart werden, meint Jörg Lau.