Triff dein Vorurteil!


Parallelgesellschaft, Abschottung, Integrationsprobleme: Das sind gern benutzte Begriffe, wenn über Migranten in deutschen Medien berichtet wird. "Ich würde da nicht von Parallelgesellschaft sprechen. Es ist so, dass in bestimmten Stadtteilen bestimmte Kulturen konzentriert zusammenleben. Das muss nicht unbedingt negativ sein", sagt Ikbal Kilic.
Elvin Türk, Redakteurin bei "Mikses", sieht das ein wenig anders: "Es ist nicht negativ, dass man sich in bestimmten Vierteln zusammenfindet, das zeichnet die Parallele nicht aus. Sondern vielmehr, dass sie eine eigene Infrastruktur besitzen. Es gibt eigene Schulen und Kindergärten. Und tatsächlich können sie kein Deutsch."
"Wir können alle viel mehr"
Angesichts dieser "Ausnahme" will "Mikses" nicht über Integration, sondern Post-Integration reden. Der Begriff Integration baut Barrieren auf, die bei der jungen Generation gar nicht existieren.
Für die Macher von "Mikses" ist das Problem der Integration schon lange überwunden: Man trinkt Bier zu Döner und hört Mustafa Sandal in deutschen Diskos. Begegnungen verschiedener Kulturen sind alltäglich und normal. Doch diese Normalität wird in den Medien kaum reflektiert.
"Es wird viel in den Medien über Integration gesprochen, aber wo sind die türkischstämmigen Journalisten? Wo sitzen sie in den Redaktionen? Integration muss beidseitig funktionieren. Man muss sich Akzeptanz verschaffen, indem man Teil der Gesellschaft wird, aber man muss auch akzeptiert werden", sagt Ikbal Kilic.
Die Medien bilden nicht ausschließlich die gesellschaftliche Realität ab und wirken damit "gekünstelt", so Kilic. Zwar gibt es starke Stimmen in den Medien wie Necla Kelek, sie wird aber von der jungen Generation als alles andere als authentisch empfunden. "Ich kenne keine einzige Deutschtürkin, die sich durch Frau Kelek repräsentiert fühlt", so Kilic.
An Journalisten mit Migrationshintergrund mangelt es eigentlich nicht. Die Frage ist nur, wo sie zu finden sind und welche Themen sie behandeln: "Als türkischstämmiger Journalist wird man in die Integrationsecke gedrängt und muss lediglich über Integrationsthemen berichten, sodass man von diesem Thema gar nicht mehr weg kommt", meint Kilic und fügt mit Nachdruck hinzu: "Aber wir können alle viel mehr!"
Nimet Seker
© Qantara.de 2008
Dieser Artikel entstand im Rahmen des gemeinsamen Projekts "Meeting the Other" mit dem Online-Magazin babelmed.net im Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs. Mehr Informationen zu diesem Projekt finden Sie hier
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