Zwischen Popper und östlicher Weisheit
Mit Henry Corbin und Toshihiko Izutsu gelang es Nasr, zwei der führenden Experten auf dem Feld der islamischen Philosophie nach Teheran zu holen, von denen der eine zudem auch das christliche, der andere das buddhistische Denken brillant repräsentieren konnte.
"Als ich in den siebziger Jahren über den Einfluss des Neuplatonismus auf die islamische Philosophie promovierte, konnte ich täglich von dem Austausch mit diesen großen Gelehrten profitieren", erinnert sich Aavani an die Jahre vor 1979, als das Teheraner Institut weltweit in höchstem Ansehen stand.
Die Philosophen um Corbin waren allesamt in dem Interesse vereint, mit einem historischen Vorurteil aufzuräumen, das etwa Hegel zu dem Verdikt verleitete, die arabische Philosophie sei bloß hinsichtlich der "Fortpflanzung der Philosophie" von Interesse, sonst jedoch sei "nicht viel daraus zu holen".
Gemäß dieser Auffassung ist die islamische Philosophie lediglich insofern von Bedeutung, als sie das geistige Erbe der Griechen weitertrug, das dann aber erst in den christlichen Doctores in Paris, Bologna und Oxford seine wahren Nachkommen finden sollte.
Spätestens mit dem großen Aristoteles-Kommentator Averroes (1126–1198) hat demnach die islamische Tradition ihre Pflicht getan und kann im Kreissaal des Weltgeistes erschöpft in die Kissen sinken.
Hingegen machte Corbin in seiner Arbeit einsichtig, dass der philosophische Eros im Islam nach dem 13. Jahrhundert in keiner Weise verkümmerte.
Vielmehr setzte schon mit der Erleuchtungslehre des iranischen Mystikers al-Surahvardi (1155–1191), die Corbin im zweiten Band der Bibliothèque Iranienne textlich erschloss, eine Jahrhunderte lange Entwicklung ein, in der sich griechische, altiranische und islamische Momente zu einer eigenständigen Weisheitslehre ("hekmat") verbanden.
"Ewiger Sauerteig"
Das Gären metaphysischen Fragens – Surahvardi spricht von einem "ewigen Sauerteig" – gipfelte im Denken Molla Sadras (1572–1641), des großen Philosophen des Safawidenreichs.
"Sadras epochale Synthese aus neuplatonischer Emanationskosmologie, avicennischem Rationalismus, zoroastrischer Lichtmetaphysik und sufistischer Mystik wird seit Jahrhunderten mündlich von Meister zu Schüler weitergegeben, um den Weg zur Erleuchtung ("erfan") zu weisen", berichtet Aavani von antiken Vermittlungsformen philosophischen Wissens, die noch heute praktiziert werden.
Der Vertreter einer im Westen unbekannten philosophischen Tradition ist überzeugt, dass das historisch gewachsene System der "hekmat" durchaus das konzeptionelle Instrumentarium bereithält, um aktuelle Probleme – wie das einer philosophischen Begründung der Demokratie – zu traktieren.
"Auch wenn 'hekmat' ein Denken ist, in dem Glaube und Religion die zentrale Rolle in der universellen Ökonomie der Erlösung spielen, so ist doch gewiss, dass der Mensch als Ebenbild seines Schöpfers wesentlich eines ist: frei."
Alessandro Topa
© Qantara.de 2009
Alessandro Topa, geb. 1970 in Mailand, studierte Philosophie, Kommunikationsforschung und Romanistik in Bonn, wo er 2006 promovierte. Bei Königshausen und Neumann erschien "Die Genese der Peirceschen Semiotik".
Qantara.de
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