Bleischwere Tabus




Es ist genau diese gesellschaftliche Grauzone, die Matabb auf dem Bildschirm für alle sichtbar machen will. "Brennende Inhalte diskutieren", nennt es Farid Majari, Direktor des Goethe Instituts in Ramallah, gleichzeitig Produzent und Drehbuchschreiber der Seifenoper. "Über das eigene Liebesleben entscheiden, Gewalt gegen Frauen und ihr berufliches Fortkommen oder Arbeitsteilung in der Familie", sind solche heißen Themen.
Ursprünglich hatte Majari die Idee, noch einen Ehrenmord und einen schwulen Charakter einzubauen. Er habe aber darauf verzichtet, da dies doch etwas zu weit gegangen wäre. Palästina ist schon lange kein Ort von Liberalität mehr. Im Westen würde man von Selbstzensur sprechen, aber letztendlich machte der Goethe-Direktor nichts anderes als Drehbuchschreiberkollegen in Deutschland, Frankreich oder in den USA. Sie alle orientieren sich an den Konsumgewohnheiten der Fernsehzuschauer und vermeiden es geflissentlich, negativ zu provozieren. Koste es, was es wolle.
Bleischwer statt leichtfüßig
Dabei geht es bei der Serie Matabb nicht um Unterhaltung als Selbstzweck. Sie ist eine Art trojanisches Pferd, mit einem Bauch voller Inhalte, die transportiert werden sollen. Wer allerdings die ersten Episoden ansieht, weiß, da wurde des Guten ein bisschen zuviel getan.
Die Handlung ist um die Mitarbeiter einer NGO angelegt, die den Namen "Initiative zur Förderung von Kunst, Kultur und Entwicklung Palästinas" trägt. Für Palästinenser, die Tag für Tag mit unzähligen Nichtregierungsorganisationen zu tun haben, durchaus ein Grund zum herzhaften Lachen. Ansonsten sind die Episoden leider eher tröge, gespickt mit bleischweren Inhalten. Statt Unterhaltung und Spaß ein unaufhaltsamer Ablauf von Problemen, die obendrein auch noch meist sehr klischeeträchtig und mit erhobenem Zeigefinger präsentiert werden.
Man kann sich kaum vorstellen, dass Palästinenser, deren reales Leben unter israelischer Besatzung problemgeladen genug ist, sich diese Aufklärungsserie zum Feierabend ansehen wollen. Noch dazu im Ramadan, im dem, vergleichbar zur westlichen Weihnachtszeit, künstliches Harmoniestreben angesagt ist. Bei allem guten Willen und Einsatz, der Seifenoper fehlt einfach der nötige Humor, der Menschen dazu bringt, über sich selbst zu lachen und nachzudenken.
Alfred Hackensberger
© Qantara.de 2008
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WWW
Das Goethe-Institut hat eine Webseite zu Matabb eingerichtet, darauf kann man sich auch die Serie anschauen