Die Tankstelle der Welt



Allein in den letzten drei Jahren gab es einen Anstieg des nominalen Bruttoinlandprodukts um 74 Prozent. Eine Studie von McKinsey schätzt, dass der Leistungsbilanzüberschuss, der von 2005 bis 2025 erarbeitet werden wird, runde 3 Billionen Dollar betragen wird; eine Summe, die mehr als zur Hälfte in der Region selbst reinvestiert werden wird.
Diese beispiellose Entwicklung — dafür reicht es, sich die unglaublichen Bauprojekte anzusehen, die die Landschaft in fast unmittelbarer Weise verändern — gründet sich in der Rolle der Golfregion als Tankstelle der Welt. Unter all den Vorhersagen zur Zukunft der Energieversorgung — und von ihnen wimmelt es zur Zeit ja nur so — sticht eine immer wieder besonders ins Auge, und zwar die von der herausgehobenen Bedeutung der Golfregion.
Reichtum an Bodenschätzen
Die Golfregion beherbergt zwei Drittel der nachgewiesenen weltweiten Ölreserven, verantwortet mehr als ein Viertel der globalen Ölproduktion und sorgt für annähernd ein Drittel des weltweit konsumierten Erdöls. Die International Energy Agency rechnet mit einer Zunahme der globalen Öl-Nachfrage von 84 Millionen Barrel im Jahr 2005 auf 116 Millionen Barrel im Jahr 2030, was bedeutet, dass der Anteil der Ölproduktion in der Golfregion im Verhältnis zum gesamten Verbrauch in der Welt auf 33 Prozent im Jahr 2020 steigen wird.
Doch nicht nur im Ölbereich, sondern auch in Bezug auf das Erdgas ist mit einer anhaltenden Dominanz der Region zu rechnen, gehören doch Iran und Katar zu den drei Staaten mit den größten Gasreserven der Welt. Steigende Energienachfrage macht die Staaten der Golfregion zu den einzigen, die über genügend Kapazitäten verfügen, den Bedarf zu befriedigen, vor allem, wenn es um die schnell wachsenden Volkswirtschaften Asiens geht.
Druck auf die Monarchien
Schließlich geht es aber auch um eine politische, soziale und kulturelle Komponente, die zu erwähnen ist. Im Nahen Osten, der gekennzeichnet ist durch konservative politische Systeme und autokratische Regierungen, ist nur in den Staaten der GCC eine bedeutsame politische Entwicklung zu beobachten, wo Parlamente ihre Funktionen wahrnehmen, Pressefreiheit ausgedehnt wird und wo Frauen immer stärker zur Entwicklung der eigenen Gesellschaft beitragen.
Sicher, nach wie vor ist die Golfregion noch weit entfernt vom demokratischen Ideal, das als Ziel anzustreben ist, doch die Kombination aus einer großen, jungen Bevölkerung mit immer größeren Bildungschancen zwingt auch die Golfmonarchien zu größerer Offenheit und Repräsentation.
Das Ergebnis dieser Gleichung besteht darin, dass die arabischen Golfstaaten realisieren, wie viel sie, in Folge der beschriebenen Entwicklungen, zu schützen und auch zu verlieren haben, sollte sich der Teufelskreis aus Konflikten in der Region weiter fortsetzen.
Sicherheit in der Golfregion — eine weltweite Aufgabe
Die Sicherheit in der Region ist keineswegs nur eine innere Angelegenheit der betreffenden Länder, sondern eine globale Herausforderung, bei der man es mit einer ganzen Reihe unterschiedlichster Faktoren zu tun hat: von der Energiesicherheit über den Terrorismus, der Waffenproliferation, Grenzstreitigkeiten, politischer Entwicklung bis zu den Menschenrechten, um nur einige der wichtigsten zu nennen.
Was das Problem noch komplizierter macht, ist, dass wir es nicht nur mit einem Wechselspiel der unmittelbar beteiligten, regionalen Akteure (die sechs GCC-Staaten, Iran, Irak und dem Jemen) zu tun haben, sondern auch mit einer Interaktion zwischen diesen und den Staaten der weiteren geografischen Nachbarschaft (Afghanistan, Pakistan, Indien, Syrien, die Türkei, Israel und Somalia), wie schließlich auch mit der internationalen Gemeinschaft (die USA, Europa und, immer mehr, auch asiatische Staaten wie China und Japan).
Die multilaterale Komponente
In dieser Umgebung versuchen die GCC-Staaten ihre eigene Rolle zu finden und eine Politik des Dialogs und der Kooperation zu fördern, die einmal als Basis dienen kann für verbesserte und strukturiertere Sicherheitsbeziehungen sowohl innerhalb der Region wie außerhalb.
Unter diesem Gesichtspunkt werden sowohl die Handlungen und politischen Konzepte der USA wie die des Iran mit viel Misstrauen aufgenommen, ist doch beiden Staaten die Neigung gemein, ihre hegemonialen Ansprüche auf Kosten anderer Staaten durchzusetzen.
Was der Golfregion dabei helfen könnte, ihre Schwierigkeiten zu überwinden, ist die Einbeziehung der Europäischen Union, seiner Mitgliedsstaaten und einiger asiatischer Staaten, in anderen Worten: größere internationale Beteiligung am politischen Prozess.
Nur diese multilaterale Komponente sorgt für ein komplexeres, und damit sichereres Beziehungsgeflecht. Diese Komponente wurde bisher vermisst. Doch angesichts der großen strategischen Bedeutung der Golfregion in Bezug auf alle oben angesprochenen Fragen mag dies genau die Richtung sein, in der sich die Entwicklung in den nächsten Jahren bewegen wird.
Christian Koch
© Christian Koch / Qantara.de 2008
Übersetzung aus dem Englischen: Daniel Kiecol
Dr. Christian Koch ist Direktor der Internationalen Studien am Gulf Research Center in Dubai.
Qantara.de
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