Widersprüchliche Strategien



Russland und China haben sich zumindest bisher eindeutig gegen weitere Sanktionen ausgesprochen. Ein triftiger Grund für einen Kurswechsel ist nicht ersichtlich. Beide Länder haben enorme Wirtschaftsinteressen in Iran. Russland ist der größte Waffenlieferant Irans, baut für das Land das erste Atomkraftwerk und liefert auch den atomaren Brennstoff dazu.
China ist auf iranisches Öl und Gas angewiesen, hat in diesem Bereich bereits Milliarden investiert und ist dabei, den iranischen Markt zu erobern. Beide Länder werden die lukrativen Beziehungen so leicht nicht aufgeben, zumal es reichlich genug nachvollziehbare Argumente gegen Sanktionen gibt.
Um die widersprüchlichen Positionen der sechs Mächte unter einen Hut zu bringen, einigte man sich in Berlin – Diplomatenkreisen zufolge – auf den Begriff "moderate Verschärfung" der bisherigen Sanktionen. Was immer darunter zu verstehen ist, der Inhalt des Resolutionsentwurfs, auf den sich die sechs Staaten geeinigt haben sollen, ist jedenfalls bislang nicht bekannt.
Trotzreaktion aus Teheran
Aber bereits unmittelbar nach dem Treffen zeigten die Äußerungen des russischen Außenministers, dass die getroffene Vereinbarung gravierend unterschiedlich interpretiert wird. Der Entwurf sehe keine neuen Strafmaßnahmen gegen Teheran vor, sagte Sergej Lawrow. Der Text enthalte "zusätzliche Maßnahmen zur Einflussnahme" auf Iran. Diese hätten jedoch nicht den "strengen Charakter" von Sanktionen.
Die Maßnahmen seien als "Appell an alle Staaten" formuliert, in ihren Beziehungen zu Iran auf die Einhaltung des von Teheran unterzeichneten Atomwaffensperrvertrags zu achten.
Ohnehin wäre es naiv zu glauben, die regierenden Islamisten in Teheran würden sich von Sanktionen welcher Art auch immer einschüchtern lassen. Unmittelbar vor dem Treffen der Sechser-Gruppe in Berlin erklärte der iranische Regierungssprecher Gholam-Hossein Elham, die iranische Nation werde an ihrem Weg für die nuklearen Ziele festhalten und bewege sich dabei in einem "legalen und legitimen Rahmen". Selbst eine neue UN-Resolution würde diese Bestrebungen nicht ändern.
Diese Stellungnahme könnte man als Trotzreaktion deuten, aber auch als Zeichen dafür, dass die Islamisten Sanktionen nicht befürchten, weil Sanktionen keine einschneidende Wirkung haben. Zu dieser Auffassung gelangte auch die Überprüfungsbehörde des US-Kongresses (GAO):
Teheran habe trotz der Strafmaßnahmen seit 2003 Verträge im Wert von 20 Milliarden Dollar zur Erschließung seiner Rohstoffvorkommen unterzeichnet, heißt es in dem Mitte Dezember vorgelegten Bericht der Behörde. "Die weltweiten Handelverbindungen von Iran und seine führende Rolle in der Energieproduktion machen es für die USA schwierig, Iran zu isolieren und Druck auf ihn auszuüben."
Teheran braucht Krisen
Aber selbst wenn Sanktionen Irans Wirtschaft empfindlich treffen und eine Krise erzeugen würden, weiß jeder, der den Charakter des Regimes in Iran kennt, dass Sanktionen zwar die Bevölkerung belasten, aber nicht das Regime in die Knie zwingen würden. Im Gegenteil, das Regime braucht die Krisen, wie Fische das Wasser, um weiterleben zu können.
Die permanenten Krisen, vor allem außenpolitische, die teilweise sogar künstlich erzeugt werden, dienen dazu, von der eigenen Regierungsunfähigkeit abzulenken, die Repressionen gegen die Kritiker zu verschärfen und die unaufgeklärten Massen gegen Feinde und Feindbilder zu mobilisieren.
So betrachtet, könnten verschärfte Sanktionen, wenn man sich überhaupt darauf einigen könnte, das Gegenteil von dem erreichen, was man anstrebt.
Bahman Nirumand
© Qantara.de 2008
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