Muslimbrüder im Visier



Als sich bei den letzten Parlamentswahlen 2005 das befürchtete Erstarken der Muslimbrüder abzeichnete, versuchten Mubaraks Sicherheitskräfte sogar gewaltsam, deren Anhänger am Betreten der Wahllokale zu hindern. Zwölf Menschen kamen dabei ums Leben.
Erfolgreich war dieses repressive Vorgehen nicht. Obwohl sie als Partei verboten sind, stellen die Muslimbrüder seit den letzten Wahlen ein Fünftel der Parlamentsabgeordneten.
Offiziell bezeichnen sich diese Abgeordneten als "unabhängig". Doch die Regierung hat die Muslimbrüder in Verdacht, in Wirklichkeit einen Systemwechsel anzustreben, wie Magdi Al Dakkak, Journalist und Funktionär in Mubaraks regierender Nationaldemokratischer Partei betont:
"Diese Organisation hat einen bekannten Plan für den Umsturz der Staatsgewalt", meint Al Dakkak. "Sie hat ein verborgenes Gesicht, eine geheime Agenda zum Umsturz des Regierungssystems. Aber die Muslimbrüder haben auch einen öffentlichen Plan: Sie wollen in der öffentlichen Meinung den Eindruck vermitteln, sie seien Demokraten, die sich an der politischen Arbeit beteiligen. Der Versuch, in einem demokratischen Gewand zu erscheinen und an den Wahlen teilzunehmen, ist Teil eines politischen Spiels, um die Demokratie zu stürzen."
Geheime Agenda der Muslimbruderschaft?
Tatsächlich bekennt sich die 1928 gegründete Muslimbruderschaft offen zum Ziel einer islamischen Gesellschaftsform. Sie lehnt allerdings Terror ab und beteuert, ihre islamische Vision stehe nicht im Widerspruch zur Demokratie.
Man kann dies glauben oder nicht, aber aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit Ägyptens werden sich die Muslimbrüder weder durch politische Tricks noch durch Repressionen herausdrängen lassen.
Sie sind politisch die zweitmächtigste Organisation im Lande und pflegen erfolgreich ein Image als Widerstandsbastion gegen soziale Ungerechtigkeit, Korruption und eine als allzu westlich empfundene Modernisierung.
Unter anderem dank eines gut funktionierenden sozialen Netzwerks sind sie besonders stark in den armen Bevölkerungsschichten verwurzelt. Und die werden eher größer als kleiner: 20 Prozent der Ägypter müssen täglich mit weniger als einem Dollar auskommen. Und die Lebensmittelpreise sind zuletzt so stark angestiegen, dass Auseinandersetzungen um staatlich subventioniertes Brot mehrfach tödlich endeten.
Rainer Sollich
© DEUTSCHE WELLE 2008
Qantara.de
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