Neue Heimat - verlorene Heimat




Er verfügte über ausgedehnte Ländereien an der Grenze zum Gazastreifen, wo die Großfamilie Ackerbau und Viehzucht betrieb. "Mein Großvater legte großen Wert auf Bildung", erzählt Fawaz. "Er gründete eine Schule für die Jungen unseres Stammes."
So konnten Fawaz' Vater und dessen Brüder erst die Schule und dann die Universität besuchen. Als der Stamm im israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948 seine Ländereien und damit seine Lebensgrundlage verlor, konnten die gebildeten Brüder die inzwischen landlose Familie mit ihren akademischen Berufen über Wasser halten.
Verlorene Heimat
Der gesamte Stamm, mehr als 400 Mitglieder, wurde damals aus seinem Siedlungsgebiet vertrieben. Die Abu Sittas flohen in den benachbarten Gazastreifen, wo sie sich in den Flüchtlingslagern in Khan Yunis, Deir el Balach und Rafach niederließen. Hier lebten sie, praktisch in Sichtweite ihrer alten Heimat.
Fawaz wurde im Jahr 1953 in Khan Yunis geboren. Er wuchs auf in dem Bewusstsein, ein Flüchtling zu sein, der eines Tages in sein altes Stammesgebiet zurückkehren wird. Er wohnte zwar in Khan Yunis und ging dort zur Schule. Seine richtige Heimat jedoch lag jenseits des Stacheldrahts, im Staat Israel.
"Mein Großvater nahm mich immer wieder mit und zeigte mir aus der Ferne unser Land. Und er versprach mir, dass ich ein großes Stück davon bekommen sollte", sagt Fawaz. Doch die Familie kehrte nicht zurück. Ein Teil blieb in Gaza, der Rest zerstreute sich in aller Herren Länder.
Fawaz ging nach Deutschland. In der damaligen DDR lernte er Deutsch, studierte Wirtschaftswissenschaften und lernte sein Frau Anke kennen. Seine Brüder gingen in die USA, nach Kanada und Saudi-Arabien.
Inzwischen hat Fawaz, der Professor an der Azhar-Universität im Gazastreifen ist, die Hoffnung auf Rückkehr in das alte Stammesgebiet aufgegeben. Er plädiert für einen palästinensischen Staat in den 1967 besetzten Restgebieten des alten Palästina, im Gazastreifen und dem Westjordanland.
"Aber", so betont er, "ich gehöre mit dieser Haltung einer Minderheit an." Die große Mehrheit der Palästinenser wolle auf ihren Traum von der Rückkehr in die alte Heimat oder doch wenigstens von einer gerechten Lösung der Flüchtlingsfrage nicht verzichten.
Bettina Marx
© DEUTSCHE WELLE 2008
Qantara.de
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