Eine Führungselite ohne Konzept



Und nun lässt dieser im Ausland so geachtete Präsident auch noch der Debatte über seine mögliche dritte Amtszeit freien Lauf. Im nächsten Jahr sollen die Nigerianer nämlich einen neuen Präsidenten wählen - und nach der jetzigen Verfassung darf es nicht noch einmal der alte sein.
Während Obasanjo schweigt, versuchen seine Anhänger, die Verfassung zu ändern - in der Stadt Katsina war es der Streit um eben diese Verfassungsänderung, der Übergriffe auf Christen auslöste.
Politische Lösungen jenseits religiöser Grenzen
Hinzu kommt, dass viele Politiker angesichts des Wahlkampfes die Religion wieder einmal dazu nutzen, um ihre Klientel zu mobilisieren. Da kommen die Mohammed-Karikaturen jetzt gerade recht, wie der armselige Beschluss des Landesparlaments von Kano von Anfang Februar zeigt, die dänische Flagge zu verbrennen - Hauptsache man muss sich nicht um die wirklichen Probleme der Menschen kümmern.
Wenn Nigeria eine Zukunft haben soll, dann müssen die politischen und religiösen Führer des Landes begreifen, dass sie nigerianische Lösungen für nigerianische Probleme finden müssen. Dies kann nur über religiöse und ethnische Grenzen hinweg geschehen, denn Nigeria ist ein pluralistisches Land.
Leider wünschen sich viele die Zeiten zurück, in denen das eigene Umfeld ausschließlich den eigenen, vermeintlich traditionellen Werten folgte. Europa hat bereits mehrfach schmerzlich erfahren, dass es ein solches Zurück nicht gibt. Afrika ist noch dabei, diese Erfahrungen zu machen.
Zum Glück gibt es aber auch in Nigeria Menschen, die verstanden haben, dass es besser ist, die Zukunft gemeinsam und friedlich zu meistern. Die internationale Gemeinschaft sollte sie nach Kräften unterstützen.
Zu nennen ist hier insbesondere das "Zentrum für inter-religiösen Dialog" im nordnigerianischen Kaduna. Dort waren in den vergangenen Jahren mehrfach Muslime und Christen übereinander hergefallen.
Am Ende der blutigen Konflikte säumten jeweils Hunderte von Toten die Straßen. Einige der Scharfmacher haben schließlich begriffen, dass Gewalt nur Gegengewalt erzeugt. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass die Lage in Kaduna bisher ruhig geblieben ist.
Thomas Mösch
© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2006
Qantara.de
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