Im Zweifel für die Meinungsfreiheit



Es werde "die Instrumentalisierung der islamischen Religion durch politische Bewegungen, die in ihrem Namen zu handeln vorgeben", kritisiert – nicht aber die 1,2 Milliarden Muslime auf der Welt diffamiert.
Am Ausgang des Prozesses zugunsten der Angeklagten bestanden ohnehin nur geringe Zweifel, da auch die Staatsanwältin als Vertreterin der Anklagebehörde nach dem zweitägigen Verfahren Freispruch gefordert hatte. Die Anhörungen hatten von vornherein einen Verlauf genommen, die eine Verurteilung höchst unwahrscheinlich erscheinen ließen.
Allerdings sorgte vor allem eine der drei inkriminierten Karikaturen noch für kontroverse Debatten: Es handelte sich um die Zeichnung mit dem Bombenturban, der ein Amalgam zwischen dem Islam als Religion und dem gegenwärtigen Terrorismus suggerierte.
Mehrere der von den Journalisten von Charlie Hebdo oder ihrer Anwältin als Zeugen der Verteidigung zum Prozess geladenen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zeigten sich denn auch äußerst reserviert gegenüber dieser Karikatur.
Der tunesisch-französische Philosoph und Islamexperte Abdelwahab Meddeb, der sich zum Atheismus oder zumindest Agnostizismus bekennt, erklärte etwa, dass diese Karikatur in der Tat für manche beleidigend sein könne.
Keine vorsätzliche Beleidigung
Diese Darstellung des islamischen Propheten verweise auf eine uralte Vorstellung in Europa, die die muslimische Religion allein als fanatische, kriegerische und grausame Konkurrenz zum Abendland begreife.
Um sich angemessen mit dem Islam auseinanderzusetzen, müsse man die Religion gut kennen und dürfe sie nicht oberflächlich beurteilen. Jedoch machte Meddeb auch deutlich, dass er das Recht der Charlie Hebdo-Redaktion auf den Abdruck der Karikaturen verteidige, da sie der Meinungsfreiheit und der offenen Diskussion dienen.
Ganz ähnlich auch die Erwägungen der Richter: In ihrer Urteilsbegründung stellen sie zunächst fest, dass "diese Zeichnung - isoliert betrachtet - geeignet erscheint, die Gesamtheit der Anhänger dieser Glaubensrichtung" zu beleidigen oder als potenziell gefährlich hinzustellen.
Jedoch könne die Karikatur "nicht losgelöst vom Kontext ihrer Veröffentlichung betrachtet werden". Die Begleitartikel der Satirezeitung und deren Tradition schlössen jedoch "jeden Vorsatz, unmittelbar und grundlos die Gesamtheit der Muslime zu verletzen", aus, so das Pariser Gericht.
Bernard Schmid
© Qantara.de 2007
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