Jerusalem, Stadt der zwei Frieden



Das christliche Kapitel setzt mit der Ankunft von Kaiserin Helena im Jahr 326 ein und endet 1244. Eröffnet wird es mit einer Stavrotheotokia, einer düsteren, meditativen Hymne an die Jungfrau Maria, die Kaiser Leo VI. (886-912) zugeschrieben wird. Darauf folgt der auf Französisch vorgetragene Aufruf zum Heiligen Krieg (1095) von Papst Urban II., mit Fanfaren und militärischem Trommelschlag, die zu den Kreuzzügen aufrufen.
Das Kapitel wird mit einer stillen, demutsvollen Improvisation zu dem Lied "Pax in nomine Domini" ("Friede im Namen des Herrn!") geschlossen, das an die Schlacht von Gaza im Jahr 1244 erinnert. Hier fügten die muslimischen Ayyubiden den Kreuzfahrern und ihren verbündeten syrischen Truppen eine entscheidende Niederlage zu. Das klug zusammengestellte Album spiegelt musikalisch die bedeutenden Eckpunkte der Geschichte des Heiligen Landes wider.
Jerusalem als arabische Stadt (1244-1516) wird unter anderem mit dem Gesang der 17. Sure des Korans dargestellt, die den Aufstieg des Propheten Mohammed vom Tempelberg in den Himmel beschreibt.
Der Traum Sultan Süleymans
Die heute im öffentlichen Bewusstsein fast vergessene osmanische Ära in der Stadtgeschichte Jerusalems erstreckte sich über 400 Jahre – von 1517 bis 1917.
Auf dem Album ist sie verarbeitet in Form einer Erzählung eines Traums von Süleyman dem Prächtigen, vorgetragen auf Türkisch zu den Klängen einer Oud, sowie eines prachtvollen osmanischen Kriegsmarschs aus dem 16. Jahrhundert – freilich vorgetragen in kultivierter Manier hoher Musikalität und klanglicher Raffinesse.
Das Kapitel "Pilgerstadt" steht ebenfalls im Zeichen der drei monotheistischen Religionen. Es wird von Ibn Battuta eröffnet, dem bedeutenden marokkanischen Forschungsreisenden (ca. 1304-1377), der von der sagenhaften Schönheit des goldbedeckten Felsendoms schwärmt.
Des Weiteren wurden Texte von Jehuda ben Shmuel ha-Levi vertont, dem sephardischen Rabbi, Arzt, Philosoph und Dichter aus Saragossa im muslimischen Spanien. Auch Alfons X., genannt "Der Weise", König von Kastilien und León (1221-1284), ist mit einem Lied aus der größten Sammlung mittelalterlicher Lieder, der Cantiga de Santa María, vertreten.
Ein erschütterndes Tondokument
Das dramatischste Dokument des Albums ist indessen die historische Aufnahme von Shlomo Katz, eines Juden rumänischer Herkunft. Bevor Katz 1941 in Auschwitz hingerichtet werden sollte, bat er um die Erlaubnis, das Totenlied El male rahamim zu singen. Ergriffen von der Pracht, Gefühlskraft und Intensität des Vortrags, ermöglichte der diensthabende Nazi-Offizier Shlomo Katz die Flucht. 1950 nahm Katz das Lied auf und so ist dieses für die Nachwelt überliefert.
Das Lied verströmt von sich aus eine bestürzende Tragik und Anmut, vor dem Hintergrund der Geschichte wird es indessen zu einem schwer erschütternden Tondokument.
Mit "Jérusalem: La Ville des deux Paix" ist Jordi Savall und Montserrat Figueras die Zusammenstellung eines multikulturellen Freskos gelungen. Jedes Lied, jeder Text bildet einen möglichen Ausgangspunkt, die dramatische und schillernde Geschichte des mittelalterlichen Morgen- und Abendlandes und ihrer gemeinsamen Schnittpunkte zu erkunden.
"Hier wird die Musik zum entscheidenden Leitfaden", so Jordi Savall, "um einen wahren interkulturellen Dialog zwischen Menschen höchst verschiedener Nationen und Religionen herzustellen, denen jedoch die Sprache der Musik, der Musikalität und Schönheit gemein ist."
Lewis Gropp
© Qantara.de 2010
Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de
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