Es war einmal ein Land – ein Leben in Palästina


In diese Zeit fällt auch das beginnende politische Engagement des Autors, zunächst auf gewerkschaftlicher Ebene, später im Rahmen der zunächst geheimen Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern, als er eine der Verbindungen der im tunesischen Exil sitzenden PLO-Führung zur Bevölkerung der Westbank darstellte. Heute ist er Präsident der al-Quds Universität in Jerusalem.
Selbstkritik ohne Larmoyanz
Anhand der eigenen Familie erzählt Nusseibeh die Geschichte Palästinas, vor allem Jerusalems, im 20. Jahrhundert. Angefangen beim Ersten Weltkrieg und dem Aufstand von 1936, über die israelische Staatsgründung 1948 und die Intifada bis in die Gegenwart, in der die Hamas auf der einen und die Siedlerbewegung auf der anderen Seite weiter an der Spirale der Gewalt drehen.
Politische Ereignisse, Privates und Prozesse sozialer Transformation ver-schränkt der Autor zu einer gut lesbaren, bei aller Ausführlichkeit nie akademisch-spröde wirkenden Erzählung. Die (beschränkten) Möglichkeiten und (verpassten) Chancen palästinensischer Politik schildert Nusseibeh meinungsfreudig aber nie ideologisch und ist dabei selbstkritisch ohne Larmoyanz.
Sein Verhältnis zu Arafat schwankt zwischen kritischer Distanz und bewundernder Anerkennung, seine Kritik an Scharon hingegen fällt – wenig überraschend – eindeutig aus.
Für Nusseibeh kann es nur eine gemeinsame Lösung geben, Juden und Araber seien "Verbündete" und jeder Versuch, sie zu trennen, stelle einen gefährlichen Irrweg dar und sei das "Produkt des modernen europäischen Mythos von einer 'reinen', von Fremden gesäuberten Nation."
Nusseibehs Buch ist verwandt mit den Autobiographien zweier anderer politisch engagierter palästinensischer Intellektueller, Edward Saids "Am falschen Ort" und Hanan Ashrawis "Ich bin in Palästina geboren".
Mit ersterem verbindet Nusseibeh der weite Blick und das Interesse für kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen, mit letzterer teilt er die Genauigkeit in der Darstellung der Hintergründe während der Verhandlungen in Madrid, Oslo und Washington.
Nusseibehs "Es war einmal ein Land" bietet eine weit über die Beschreibung des eigenen Lebens hinausgehende Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts und lässt sich als facettenreiches Zeitbild tatsächlich als Komplementärbuch zu Oz' Autobiographie lesen.
Beide Autoren zeichnen sich gleichermaßen durch eine selbstkritische Haltung aus und reflektieren die eigenen Verwicklungen in die ihre Gesellschaften legitimierenden Ideologien. Wie sie das tun, gibt, aller betrüblichen Befunde zum trotz, Anlass zu Optimismus.
Andreas Pflitsch
© Qantara.de 2008
Sari Nusseibeh (mit Anthony David): "Es war einmal ein Land. Ein Leben in Palästina", aus dem Englischen von Gabriele Gockel und Katharina Förs und Thomas Wollermann, München, Kunstmann-Verlag 2008, 526 Seiten.
Qantara.de
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